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Wenn Jungs "anders" sind - Josef und Billy Elliot

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Wenn Jungs anders sind.
Das ist so ein Thema, mit dem manche Eltern sich an ihren Pfarrer wenden.
Oder an den Hausarzt.
Eltern, die sich Sorgen machen um ihr Kind, Angst haben vor dieser Welt und den Wunden, die sie für die bereithält, die anders sind.
Eltern, die wütend sind, weil ihr Junge andere Wege geht, Wege, die sie nicht verstehen, nicht kennen, nicht gut finden. 

Durham, englischer Nordosten, 1984. Weit weg von Kathedrale und Universität liegen die engen Bergarbeitersiedlungen, winzige Einfamilienhäuser, 70 m² auf drei Etagen, eng an eng gepresst, roter Backstein, dazwischen Beton, Klo in einem kleinen Verschlag auf dem Hinterhof. Das Straßenbild ist wie das Klima ist wie der Dialekt, rau und unverputzt. Ein spindeldürrer Junge, neun, vielleicht zehn, turnt durch eine winzige, bis unters Dach verdreckte Küche. Man sieht, dass hier nur Männer wohnen, oder fast. In einer Ecke stehen selbstgemalte Streikschilder: Thatcher Raus, Nicht aufgeben! Der Junge, Billy Elliot, hievt einen Topf mit Eiern vom Gasherd, fängt verkohlte Toastbrotscheiben aus der Luft, balanciert alles auf einem Tablett, schiebt mit dem Kopf die Tür zu einer winzigen Kammer auf, entdeckt das leere, zerwühlte Bett, flucht laut auf, lässt das Tablett fallen. Krachend fällt die Tür ins Schloss. Er rennt durch die engen Straßen, im Zickzack zwischen Gartenzäunen und Briefkästen, unter Wäscheleinen her, um eine Ecke und hinaus auf eine überwucherte Wiese am Fluss. Dort steht eine ältere Dame im Nachthemd, sieht sich verwirrt um. Komm, Oma, sagt Billy Elliot, nimmt sie behutsam in den Arm und führt sie nach Hause. „Ich wollte Ballettänzerin werden“, erklärt sie aufgekratzt. „Jaja, Oma, wir gehen nach Hause“, sagt er. Im Hintergrund kommen auf einer Brücke mit quietschenden Reifen mehrere Mannschaftswagen zum Stehen, Polizisten in Krawalluniform und mit Schutzschilden steigen aus und marschieren zum Bergwerk, wo seit einem Jahr die Bergarbeiter streiken. Wut liegt in der Luft, in erster Reihe stehen Billy Elliots Vater und sein älterer Bruder. 

Die Mutter ist gestorben und nicht mehr da. Die Großmutter dement und auch nicht mehr wirklich da. Die Frauen fehlen. Ähnlich wie bei Josef und seinen Brüdern, im Hause Jakobs. Es gibt natürlich Frauen, sogar mehrere, und das ist Teil des Problems, aber sie bleiben merkwürdig unsichtbar in der ganzen Geschichte. Und auch Josefs Mutter ist gestorben. Wut liegt in der Luft, es zündelt und knistert zwischen den Brüdern. Sowieso, weil es Haupt- und Nebenfrauen gibt, und damit auch Söhne, die dem alten Vater Jakob mehr am Herzen liegen als andere. Martin Luther sagt dazu, man solle nicht meinen, dass die alten Heiligen aus Holz oder Stein, also gefühl- und affektlos gewesen seien. Die Familie von Jakob, Lea, Rahel, Bilha und ihren Kindern Dina und den Brüdern, ist zerstritten, und wie in vielen dysfunktionalen Familien ist auch hier nicht klar, wer hier Opfer, Täter, wer Schuld und wer verletzt ist. Wahrscheinlich alle. 

Josef ist in der Brüderhierarchie als einer der jüngsten ganz weit unten, aber trotzdem Vaters Liebling. Und eine Petze, er erzählt seinem Vater brühwarm, was seine anderen Söhne über ihn reden. Jakob aber hatte Josef lieber als seine anderen Söhne, und er schenkte Josef einen bunten Rock.

Um Billy Elliots Hals baumeln braune, zerschlissene Handschuhe. Er hat sie in von seinem Vater geschenkt bekommen, und der wiederum von seinem Vater. „Trage sie mit Stolz, Sohnemann“, hat der Vater gesagt. Man redet nicht viel in der Familie Elliot, Konflikte werden bearbeitet, in dem man Türen knallt oder die Faust sprechen lässt. Missmutig trottet Billy Elliot zur Sporthalle, lässt sich in der ersten Runde niederschlagen. Trag die Handschuhe mit Stolz, brüllt der Vater, der das Training beobachtet hat, bevor er wütend rausstürmt und die Tür hinter sich zuknallt. Nach dem Boxtraining wird ein Klavier in die Halle gerollt, die kettenrauchende Miss Wilkinson hält ihre Ballettstunde. Fasziniert schaut Billy, zuerst wegen der kleinen Nachbarstochter, aber dann ist er mehr und mehr gebannt von den fließenden Bewegungen der Ballettschülerinnen. „In die Reihe mit dir“, schnauzt die Ballettlehrerin und zieht ihn an die Stange. Erst stakst Billy etwas ungelenk umher, dann beginnt er, sich in den Bewegungen zuhause zu fühlen, zieht seine Boxstiefel aus und die Ballettschuhe an, hängt die Boxhandschuhe an den Nagel und spürt zum ersten Mal: Wenn ich tanze, dann ist es so, als ob ich mich in mir selbst verliere, wie Elektrizität. Auf dem Nachhauseweg springt, tanzt, schwebt Billy Elliot über Beton und durch den Hof mit dem Klo im Bretterverschlag. Demi plié, glissade, arabesque. Und Billy Elliot verliert sich in sich selbst und träumt vom Tanzen.



Josef träumt auch, von Brüdern, die sich vor ihm verneigen, und ist so undiplomatisch, das auch noch zu erzählen. Und dann ist da dieses Kleidungsstück, das er von seinem Vater bekommen hat. Wir wissen nicht genau, was das für ein Rock war. Ein bunter Rock vielleicht, oder einer mit langen Ärmeln, auf jeden Fall ein wertvolles Kleidungsstück, das nicht für die Feldarbeit geeignet ist. Was wenige Ausleger sehen: Das Wort, das hier benutzt wird, kommt auch an einer anderen Stelle vor, und da meint es ein Prinzessinnenkleid. 

Josef ist anders. Anders als seine Brüder, als Ruben, der Erste und Stärkste, der wie Wasser aufwallt, und anders als die anderen: Simon und Levi tragen mörderische Waffen, sind voll Zorn und Grimm, Juda ist ein Löwe, Dan eine Schlange, Benjamin ein reißender Wolf. Und Josef träumt und trägt ein Prinzessinnenkleid. Jetzt kommt, sagen seine Brüder, wir wollen ihn töten und ihn in eine der Zisternen werfen, und wir werden sagen: Ein wildes Tier hat ihn gefressen. Wir werden ja sehen, was aus seinen Träumen wird…

In der Küche der Familie Elliot, zwischen Stapeln von Geschirr und Streikschildern. Der Widerstand der Gewerkschaft bröckelt. Alles schreit, nur die Oma sitzt wie versteinert. Die Ballettlehrerin macht einen Hausbesuch und erzählt von ihren Plänen, Billy bei der Königlichen Ballettakademie anzumelden. Alle schreien, am lautesten sein älterer Bruder. Verdammt nochmal, brüllt er und seine Stimme überschlägt sich, dann tanz, tanz, verdammt nochmal, und er packt seinen kleinen Bruder und rammt ihn auf den Küchentisch. Komm, tanz für uns, höhnt er. Billy Elliot steht wie festgefroren da, und alle schreien. Bis die Ballettlehrerin aus der Küche stürmt, die Tür knallt. In der nächsten Szene sieht man Billy Elliot durch die engen Straßen tanzen. Demi plié, glissade, arabesque. 

Jungs, die anders sind, haben es nicht leicht. Die nicht, die weiblicher scheinen als andere, aber auch die nicht, die lauter, lebhafter und draufgängerischer sind als die, die man normal nennt. Den Einen sagt man: „Jungs spielen nicht mit Puppen.“ „Ein Indianer kennt keinen Schmerz“, und man winkt ihnen auf dem Schulhof mit abgeknicktem Handgelenk zu. Die einen nennt man „Schwuchtel“, die anderen nennt man „schwierig“ oder „ADHSler“, gibt ihnen Ritalin und allgemein schlechte Chancen in einem Bildungssystem, das Stillsitzen und Bravsein mit besseren Noten und Schulempfehlungen belohnt als Raufen, Schreien und Fußballspielen. 



Die großen Männergestalten in der Bibel sind auch oft anders, anders als die Gesellschaft sie gern hätte. Da sind die Depressiven – Saul, Elias, Paulus. Da sind die Alten und Schwachen – Abraham, Simeon. Da sind die viel zu Schönen – wieder Saul – und die viel zu Hässlichen, so wie Paulus. Da sind Männer, die Männer lieben – David und Jonathan und ein geheimnisvoller Lieblingsjünger im Johannesevangelium. Und da sind die, die sogar von ihrer eigenen Familie für verrückt gehalten werden – wieder David, und Jesus selbst: Und Jesu Familie machte sich auf, um ihn zu holen, denn sie sagten: Er ist verrückt (Mk 3,21). Der Jesus, der im Lukasevangelium mal als Hirte, der seinen Schafen hinterhereilt, mal als Hausfrau, die ihren Silbergroschen sucht, beschrieben wird, und von dem Paulus später schreibt: In Christus ist weder Mann, noch Frau (Gal 3). 

Wer anders ist, hat in der Bibel gute Chancen. Entweder, weil Gott ein besonders großes Herz für die Unikate unter seinen Schöpfungen hat, oder weil das enge Verhältnis zum Ewigen, das Berührtsein von der anderen Seite Menschen verändert, spürbar anders werden lässt, sodass sie es schwer haben, ihren Platz in der Gesellschaft zu halten. Wer anders ist, hat gute Chancen – aber hat es nicht leicht in der Welt, die ganz eigene Wunden für die bereithält, die anders sind, Wunden, die in religiösen Kreisen oft tiefer geschlagen werden und schwerer verheilen als anderswo… Fürwahr,er trug unsre Krankheit und lud auf sich unsre Schmerzen. Wir aber hielten ihn für den, der geplagt und von Gott geschlagen und gemartert wäre.Aber er ist um unsrer Missetat willen verwundet undum unsrer Sünde willen zerschlagen.Die Strafe liegt auf ihm, auf dass wir Frieden hätten, und durch seine Wunden sind wir geheilt.
 
Was heißt das für uns als Gemeinde? Wie viel Platz räumen wir denjenigen ein, die „anders“ sind, die an der Norm scheitern oder sich selbstbewusst darüber hinwegsetzen? Wie sehr gestehen wir uns selbst unser Anderssein ein, unsere Abweichungen, unsere Spleens, unsere Träume vom Tanzen? 

Josef gelangt auf Umwegen nach Ägypten. Dort macht er Karriere, aber der Weg nach oben ist mit Rückschlägen, Verrat, Sex- und Machtmissbrauch und Intrigen gepflastert. Unter seiner Verwaltung wird Ägypten reich, seine Träume erweisen sich als zuverlässige Wirtschaftsprognosen und ermöglichen es, rechtzeitig Vorräte anzusammeln. Eine Hungersnot zieht über die Welt, und vierzehn Jahre nach dem Mordversuch an Josef werden seine Brüder zu Flüchtlingen und ziehen nach Ägypten und begegnen ihm dort wieder, sind verunsichert, ängstlich und haben Angst vor seiner Rache, als sie ihn erkennen. Und Josef weint und sagt: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, Gott aber gedachte es gut zu machen.“

Billy Elliot wird in London an der Ballettakademie angenommen. Vierzehn Jahre später betreten sein Vater und sein Bruder einen großen Konzertsaal, sichtlich verunsichert in der fremden Umgebung, falsch angezogen, ungewohnt. Hinter den Kulissen bereiten sich die Tänzer für den Auftritt vor. Billy Elliot ist erwachsen, athletisch, trägt weißgefiederte Hosen, ist am ganzen Körper weiß geschminkt mit einem schwarzen Streifen auf Scheitel, Stirn und Nase. Das Orchester spielt, die Töne schwellen an zu Tschaikowskis Schwanensee. Für einen Moment stockt die Musik, der Vater im Publikum hält den Atem an, zuckt zusammen: Das Orchester spielt bombastische Klänge, Streicher und Bläser in H-Moll, und Billy Elliot betritt die Bühne und tanzt, springt, schwebt, fliegt, als hätte die Schwerkraft ihn freigegeben. Und sein Vater bricht in Tränen aus. 

Und Jakob lag auf dem Sterbebett und segnete seine Söhne und sprach: Josef wird wachsen, er wird wachsen wie ein Baum an der Quelle, dass die Zweige emporsteigen über die Mauer. Von deines Vaters Gott werde dir geholfen, und von dem Allmächtigen seist du gesegnet mit Segen oben vom Himmel herab, mit Segen von der Flut, die drunten liegt, mit Segen der Brüste und des Mutterleibes. Mögen die Segnungen der ewigen Berge, die köstlichen Güter der ewigen Hügel auf das Haupt Josefs und den Scheitel des Geweihten unter seinen Brüdern kommen. 



Wenn Jungs anders sind.
Das ist so ein Thema, mit dem manche Eltern sich an ihren Pfarrer wenden.
Vor einigen Tagen gingen die Worte einer Mutter über das Internet durch die Welt.Sie schrieb:

„Mein sechsjähriger Sohn trägt gern Nagellack. Er zieht gern Mädchenkleidung an und Tutus. Vielleicht ist das eine Phase, vielleicht auch nicht. Ich liebe ihn und akzeptiere ihn, wie er ist. Ich habe immer gedacht, dass ihn das schützt vor den Schmerzen böser Worte und vor Schulschlägern, und ich habe mir nie Sorgen gemacht.
Vor ein paar Tagen kam er nach Hause und erzählte von Kindern in der Schule, die ihn ärgern wegen seines Nagellacks, und zum ersten Mal in seinem Leben war ich nahe dran, ihn zu überreden, es sein zu lassen, diesen Teil von sich zu verstecken. Weil ich zum ersten Mal Angst hatte, er würde eines Abends niedergeschossen, wenn er mit Freunden unterwegs ist. Ich hatte solche Angst, dass ich dachte, es wäre besser, wenn ich aufhören würde, ihn in seinem Anderssein zu bestärken. Und dann dachte ich an all die Gründe, warum ich ihn so sein lasse, wie er ist. […]
Ich will, dass diese Welt sich ändert. Dass sie besser wird für ihn, ihn verdient. Weil er ein wunderbarer, großartiger Mensch ist. […] Er hat ein Leuchten in sich, das niemand auslöschen kann, so sehr das auch schon manche Menschen versucht haben. […] Gestern haben wir neuen Nagellack gekauft und Tutus getragen. Hier ist er, Welt. Sieh meinen Sohn als den wunderbaren Menschen, der er ist. Zeig ihm Liebe. Zeig ihm Respekt. Helft uns, die Welt so zu machen, dass sie ihn verdient.“

Wenn Jungs anders sind.
Das ist so ein Thema, mit dem manche Eltern sich an ihren Pfarrer wenden.
Eltern, die sich Sorgen machen um ihr Kind, Angst haben vor dieser Welt und den Wunden, die sie für die bereithält, die anders sind.
Eltern, die wütend sind, weil ihr Junge andere Wege geht, Wege, die sie nicht verstehen.
Und ich sage: Segnet Eure Kinder. Sagt ihnen:
Geh, geh hinaus in die Welt, dorthin, wo Er dich führt. Und ich will segnen, die dich segnen, und verfluchen, die dich verfluchen, und du sollst ein Segen sein.
Amen.

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Die Grundidee für die Predigt verdanke ich Kerstin Söderblom und ihrem Artikel auf evangelisch.de - danke dafür!

Was ich auf Lektorenworkshops lerne

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Ab und zu gebe ich Workshops für Lektorinnen und Lektoren, das sind im Rheinland die Menschen, die im Gottesdienst aus der Bibel vorlesen. Ende des Jahres soll im kleinen, aber feinen Lutherverlag ein hoffentlich ebenso kleines wie feines Büchlein zu diesem Thema erscheinen.
Manchmal kenne ich die Gemeinden zumindest aus der Ferne, weil ich von mir persönlich bekannten Kolleginnen und Kollegen angesprochen werde. Manchmal lerne ich neue Gemeinden kennen, und das dann ausnahmsweise nicht aus Pfarrers-, sondern aus Laienperspektive. Das ist noch einmal was anderes. Dadurch bekomme ich Einblicke in die liturgische Praxis, und das ist durchaus interessant. Die folgenden Beobachtungen sind zum Teil ein wenig zugespitzt formuliert, aber das soll nur der Verdeutlichung dienen.

1. Gottesdienst ist Pfarrerssache. Oder?



In vielen Gemeinden scheint es immer noch Usus, dass der Pfarrer oder die Pfarrerin einen Großteil des Gottesdienstes bestreitet. Dagegen ist auf den ersten Blick wenig zu sagen, schließlich sind sie dafür ausgebildet und werden dafür bezahlt. Trotzdem ist das problematisch, es gibt ja immerhin so etwas wie das Priestertum aller Getauften. Es wird auch in Einzelfällen störend sein, wenn zum Beispiel der Lektor oder die Lektorin nach der Lesung nicht zum Halleluja der Gemeinde oder zum Glaubensbekenntnis überleitet, sondern der Pfarrer oder die Pfarrerin das tut - das führt nämlich zu unnötiger Hektik, weil an einer atmosphärisch dichten Stelle das Geschehen für einen Orts- und Personenwechsel unterbrochen wird. Auch andere Elemente werden von Pfarrern übernommen, die sie gar nicht machen müssen, zum Beispiel die Begrüßung zu Beginn des Gottesdienstes, die Ansage der Kollekten und anderes. Ich rate den Workshopteilnehmenden, bei allem, was ihnen unklar oder falsch erscheint, erst einmal nachzufragen: Warum ist das so? Woher kommt das? (Hier kommt bei mir der Kirchengeschichtler durch.) Vielleicht gab es einmal eine Phase, in der es nur Lektorinnen und Lektoren gab, die das partout nicht wollten oder nicht konnten. Aber vielleicht hat sich das mittlerweile geändert, und die Kollegin oder der Kollege hat das nur noch nicht mitbekommen? 
Am Rande: Laut der geltenden Agende wird der Gottesdienst unter "Beteiligung und Verantwortung der ganzen Gemeinde" gefeiert. Dass Menschen dadurch verantwortlich beteiligt werden, dass sie auf ein unsichtbares Signal hin einen Liedruf singen, der ihnen in Text- und Notenbild nicht vorliegt, ist Quatsch

2. Die Rolle der Bibel ist unklar.



Nicht viele, die an den Workshops teilnehmen, lesen aus der Bibel vor, die meisten drucken sich den Text der Augenfreundlichkeit wegen aus. Ich rate dann, den Text passgenau zuzuschneiden und zumindest in eine Bibel hineinzulegen - es macht einfach einen haptischen, optischen und symbolischen Unterschied, ob ich aus einem Buch vorlese oder einer Mappe, schlimmstenfalls von einem bloßen Blatt. Dass es sich dabei um eine Bibellesung handelt, ist für die Zuschauenden kaum nachvollziehbar. Ich frage dann nach der Funktion der Altar- oder Kirchenbibel. Die liegt meistens dekorativ irgendwo herum, für die Lesung ist sie nicht geeignet, weil sie ein in Würde gealtertes Exemplar der Lutherbibel von 1912 oder einfach zu schwer und wuchtig ist, um sie zu benutzen. Man kann die herumliegende Altarbibel symbolisch aufladen und sie als Zeichen für das sich ereignende Gotteswort deuten. Man kann aber auch fragen, welche Rolle die Bibel im Leben der Gemeinde spielt, sowohl im Gottesdienst, als auch im sonstigen Gemeindeleben - zum Beispiel dann, wenn Menschen, die den Lektorendienst und damit ein sehr altes und ehrwürdiges, durch und durch geistliches Amt der Kirche übernehmen, mitunter keine Bibel zuhause haben, aus der sie im Gottesdienst vorlesen könnten.



3. Die Lutherbibel ist ebenso über- wie unterschätzt.



Die Lutherbibel gilt vielerorts als die unangefochtene Königin der Bibelübersetzungen. Ihren historischen Wert kann man kaum bestreiten, nur werden diese historischen Aspekte zu vorschnell und zu unbedacht ins Spiel gebracht, wenn es darum geht, ihren Gebrauch im Gottesdienst Anfang des 21. Jahrhunderts zu begründen: Ja, die Lutherbibel war besonders, weil sie auf den hebräischen und griechischen Text zurückgriff. Ja, sie hatte eine Breitenwirkung, weil die Wettiner Kanzleisprache für viele damalige Menschen verständlich war. Ja, Luther war ein sprachgewaltiger und hellhöriger Menschenkenner und Wortkünstler. Nur: Das alles reicht nicht aus, um ihren gegenwärtigen und oft alternativlosen Gebrauch zu begründen. Es stimmt zwar, dass viele Wendungen geläufig und vertraut sind, nur: Diejenigen, die Bachkantaten rezitieren können und im Konfirmandenunterricht ganze Psalmen und Bibelstellen auswendig gelernt haben, sterben zumindest in der Breite aus. Wer entsprechend sozialisiert ist, wird in manchen wortgewaltigen Passagen eine Beheimatung erleben - wer das nicht ist, hört sie im besten Fall nur als heiliges Rauschen ohne konkreten Inhalt, das allenfalls ein wohliges Gefühl des bedeutungsvollen Nichtverstehens heraufbeschwört, das viele Menschen mit "Kirche", "Gottesdienst" oder "Religion" verbinden.

Unterschätzt wird die Komplexität der Sprache, die Schwierigkeit von Formulierungen, die in der Alltagssprache, an deren Prosodie sich das Vorlesen zu orientieren hat, ausgestorben und von allzu behutsamen Revisionen unangetastet geblieben sind: Sinn- und zwecklose Inversionen ("Und Gott sah an alles..."), gnadenlos verschachtelte Nebensätze, die ständige Verwendung von "sprach" statt "sagte", die zwanghafte und nervtötende Wiedergabe des füllwörtlichen "de" durch das ungleich kräftigere "aber" (das im Deutschen eben kein Füllwort mehr ist), das ewige und in der Umgangssprache nur noch ironisch verwendete "siehe (da)" und so weiter. Hier geht es nur um formale Kleinigkeiten, nicht um gewichtige Probleme wie den zweifelhaften Gebrauch von unglücklich aufgeladenen Begriffen wie "Seele", aber in der Masse reichen sie aus, um die Distanz zum Text unendlich groß werden zu lassen, das Reden über den Glauben aus dem Alltag zu holen - und vor allem das sinnvolle Vorlesen einzelner Passagen zu einer kaum zu bewältigenden Aufgabe zu machen. 

Nach allem, was bisher von der 2017er Revision zu lesen war, löst auch sie diese Probleme nicht, stellenweise verschärft sie sie sogar. Ein Problem ist auch der Mangel an Alternativen, sieht man einmal von der Zürcher Bibel ab, die recht nah am Luthertext ist (so nah, dass viele Leute jenseits von Psalm 23 gar keinen Unterschied bemerken), aber nicht nur genauer, sondern auch verständlicher formuliert.

4. Die BasisBibel muss endlich fertig werden.  



Als gangbare, da einzige Alternative galt bislang die Gute Nachricht Bibel, die den im Untertitel verewigten Anspruch, "in heutigem Deutsch" verfasst zu sein, seit zwanzig Jahren nicht mehr einlöst. Natürlich muss man Bibeltexte nicht jeder sprachlichen Modewelle anpassen, man darf es vielleicht auch gar nicht, aber das Problem liegt nicht in der kommunikativen Ausrichtung der Übertragung, sondern in ihrer stellenweise unerträglichen Verquastheit - wer sich Gen 12,1-4a einmal in der Guten Nachricht durchliest, wird merken, was gemeint ist: Die Passage ist fast doppelt so lang wie in der Lutherbibel, der Versuch, "segnen" durch "Gutes wünschen" und Ähnliches zu verdeutschen, ist unsinnig: Dann würde es am Ende des Gottesdienstes auch reichen, der Gemeinde einen schönen Tag zu wünschen, statt sie zu segnen.
Alternativen gab es bislang nicht, wenn man von Randexistenzen wie Hoffnung für Alle und Neues Leben absieht, die stellenweise noch problematischer sind. Mittlerweile gibt es die hipsterdesignte Neue Genfer Übersetzung und die BasisBibel, die sich langsam und verdienter Weise als echte Alternative durchzusetzen scheint. Dummerweise fehlt hier noch das Alte Testament, weswegen man sie kaum an Konfirmand_innen verschenken kann. Es wird dringend Zeit, dass die ganze BasisBibel vorgelegt und die Gute Nachricht in Rente geschickt wird.

5. Lektor_innen erhalten kaum strukturierte, verlässliche Unterstützung.



Keine_r "meiner" bisherigen Workshopteilnehmenden (und das dürften mittlerweile eine ganze Menge sein) hat in seiner oder ihrer Gemeinde einen Lektorenkreis, in dem regelmäßig praktische oder theoretische Aspekte rund um den Gottesdienst erörtert, Fragen gestellt und Dinge ausprobiert werden können. Wenn sie Glück haben, werden vereinzelt Fortbildungen angeboten, allerdings nicht regelmäßig und vor allem nicht verpflichtend - was dazu führt, dass an solchen Fortbildungen in erster Linie die Leute teilnehmen, die es vielleicht gar nicht so nötig hätten. Die pragmatische Seite dieser Problematik ist mangelnde liturgische, d. h. in erster Linie handwerkliche Sicherheit: Lektor_innen übernehmen Unsauberkeiten im gottesdienstlichen Vollzug von den Pfarrerinnen und Pfarrern (Spitzenreiter: Nach vorne laufen, bevor die Gemeinde zu Ende gesungen hat), weil es keine geregelte Gelegenheit gibt, einmal nachzufragen - das liturgische Lernen der Lektoren ist so viel zu sehr vom persönlichen Kontakt zur Pfarrperson abhängig.
Der regelmäßige Austausch im Lektorenkreis ist eine Möglichkeit theologischer Weiterbildung und damit bedeutsam für den Gemeindeaufbau - außerdem schaffen sich Pfarrerinnen und Pfarrer so die Möglichkeit des Feedbacks durch aufgeklärte und dadurch kritische Gemeindeglieder. Aber vielleicht ist das gar nicht gewollt?
Schwerer als die pragmatischen Aspekte wiegt die andere Seite dieser fehlenden Unterstützung für Lektoren:



6. Der Lektorendienst wird nicht als geistliches Amt ernstgenommen.

Der Lektorendienst gehört zu den ältesten liturgischen Ämtern der Kirche und wird u. a. in der Didache, im zweiten Klemensbrief und den Ignatianen erwähnt - das heißt, schon bevor der Kanon in seiner Endgestalt feststand. Wenn wir uns brüsten, "Kirche des Wortes" zu sein, unser Leben und Lehren an der Schrift zu messen und aus dem Wort heraus zu leben, macht das den öffentlichen Umgang mit ihr automatisch zu einem geistlichen Amt.

Viele Workshopteilnehmende kommen aus einer Praxis, die man "Ablesen" nennen könnte. Wenn sie dann lernen, dass "Vorlesen" unglaublich viel mit Interpretation und Auslegung zu tun hat (schon die Frage, welches Wort betont werden soll, könnte bei manchen Versen seitenweise Kommentare füllen), sind sie zunächst erschrocken, oft aber gegen Ende des Nachmittags angefixt, weil sie etwas von der Lebendigkeit der Schrift zu spüren bekommen - und von ihrer eigenen Kompetenz in Sachen Auslegung, auch ohne Theologiestudium. 

Die geistliche Dimension des Lektorendienstes wird schon dadurch verdunkelt, dass Lektorinnen und Lektoren kaum irgendwo offiziell "eingesetzt" werden. Zwar ist es zugegebenermaßen eine recht junge liturgiegeschichtliche Entwicklung, auch Ehrenamlter einzusegnen, aber warum diese Entwicklung kaum bis gar nicht diejenigen umgreift, die an der öffentlichen Wortverkündigung mitwirken, bleibt rätselhaft - auch und gerade sie brauchen doch Segen, Gebet und Begleitung.  
Eine ungeistliche Amtsführung wird auch dort forciert, wo Lektorinnen und Lektoren nicht aufgrund ihrer Eignung, Begabung oder Freude am Lesen eingesetzt werden, sondern die Lesung mehr oder weniger subtiles Mittel ist, Presbyter_innen zum Gottesdienstbesuch zu verpflichten. "Weil die sonst nicht kommen", heißt es dann manchmal. Das aber ist mindestens ein strukturelles Problem, das auf konzeptioneller Ebene zu lösen und nicht auf Kosten der Lesung auszutragen ist.


7. Die Rolle des Gottesdienstes in der Gemeinde ist unklar.


 "Der Gottesdienst ist die Mitte der Gemeinde", "Im Gottesdienst kommen die Menschen der Gemeinde zusammen". In unendlichen Variationen wird das immer und immer wieder beteuert, und es mag theologisch noch so wahr sein, empirisch ist es falsch. Und dadurch wird auch die Theologie wieder schief. Wenn ich meine eigene Berufspraxis kritisch hinterfrage, dann steht der Gottesdienst nicht im Zentrum. Ich hätte gern, dass das so wäre, und vielleicht wäre das anders, wenn ich als lutherischer Hochkirchler den halben Tag mit Stundengebeten zubringen würde, aber auch dann müsste ich ja noch Statistikbögen ausfüllen und all die anderen Dinge tun, denen man selbst bei bodenständigster Pastoraltheologie keine geistliche Dimension abringen kann. 

Dass der Gottesdienst nicht die Rolle spielt, die wir gerne hätten, wird schon daran deutlich, dass manche Lektorinnen und Lektoren ihren Lesungstext am späten Samstagnachmittag oder sogar erst am Sonntagmorgen bekommen. Damit ist recht deutlich gesagt, was man von diesem Dienst hält. Ich rate dann, sich einfach mal zu weigern - wohl wissend, dass auch meine Lektorinnen und Lektoren von diesem Recht Gebrauch machen könnten und sollten. Nicht jeden Sonntag, aber allzu oft.

Man muss nicht auf die Besucherzahlen gucken, um eine "Krise des Gottesdienstes" heraufzubeschwören. Natürlich ist die da, egal, mit wie viel Nachdruck wir unsere Statistik durch das Hinzuzählen von gottesdienstlichen Großevents mit oft zweifelhaftem inhaltlichen Anspruch schönrechnen, wie sehr wir auf den demografischen Wandel schimpfen und darauf hinweisen, dass ja schon Luther fand, dass zu wenige Leute in den Gottesdienst gehen. Es reicht, einmal darauf zu gucken, wie viel Sorgfalt wir auf die Vorbereitung und Zurüstung dererverwenden, die im Gottesdienst beteiligt sind.

Zeitunglesen, Fangenspielen, Mitgehen - Predigt über Phil 3,7-14

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(Predigttext aus der BasisBibel)

Karl Barth hat mal gesagt, man müsse als Theologe zwei Dinge lesen: Die Bibel und die Zeitung. Es gibt verschiedene Varianten seines Zitats, alle gehen in dieselbe Richtung: „Wie man beten soll, steht in der Bibel; was man beten soll, steht in der Zeitung.“ Manchmal ermöglicht die Bibel dann einen neuen Blick auf das, was in der Zeitung steht. Und manchmal liest man im Licht der Zeitungsmeldungen Bibeltexte anders als vorher. 

Es gibt Tage und Wochen, da müssen Predigten umgeschrieben werden. Diese Woche war so eine. Es fing an mit Nizza und Istanbul, es ging weiter mit Würzburg und München. Und ein Predigttext wie der, den Sie gerade in der Lesung gehört haben, bekommt einen anderen Klang. 

Paulus blickt auf sein Leben zurück. Auf sein altes Leben als jüdischer Gelehrter und Beamter, der ein in mehrfacher Hinsicht vorbildliches Leben führte und von seiner Religion und seiner Identität so überzeugt, so erfüllt war, dass er die jungen christlichen Gemeinden von Amts wegen und aus vollem Herzen verfolgte. Das allein macht ihn verdächtig in diesen Tagen, in denen wir erleben, dass Gewalt gegen Angehörige anderer Religionen alles andere ist als ein dunkles, aber zum Glück abgeschlossenes Kapitel der Menschheitsgeschichte. 

Paulus hat diese Phase seines Lebens hinter sich gelassen, die wundersame Begegnung mit dem Auferstandenen auf der Straße vor Damaskus hat ihm seine eigene Blindheit vor Augen geführt und die Augen geöffnet für das Neue. Die Bibel erzählt von vielen Begegnungen, die für die Beteiligten lebensverändernd sind. Und immer wieder geht es dabei um Menschen, die von einer falschen und verhängnisvollen Radikalität befreit werden. Einer Radikalität, die gefährlich ist und zum Töten bereit macht, weil religiöse Menschen das Bild, das sie von Gott haben, mit Gott selbst verwechseln. Paulus, Jona, Elia und andere müssen lernen, dass Gott größer ist als all unsere Bilder. 

Paulus hat dazugelernt, aber das macht ihn in dieser Briefpassage nicht unbedingt sympathischer. Was ihm früher wichtig war, ist jetzt in seinen Augen nicht mehr als Dreck. Auch wenn hier der Eifer der Frischbekehrten spricht, die bekanntermaßen meist päpstlicher sind als der Papst, fällt es schwer, von der unheilvollen Wirkungsgeschichte, die solche Sätze hatten und haben, abzusehen. Als im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit die Inquisition wütete, gehörten zu den für Juden gefährlichsten Figuren diejenigen, die selbst einmal Juden gewesen waren und die Polizisten, Richter und Henker mit allerlei haarsträubenden Geschichten über ihre religiöse Herkunftsfamilie fütterten, über all das, was sie jetzt für Dreck hielten. Auch Martin Luthers widerliche Schrift Von den Juden und ihren Lügen (1543) bezog sich zu einem großen Teil auf solche Verleumdungen durch Neubekehrte. 

Aber, und das ist der eine Grund, warum ich glaube, dass dieser Predigttext auch und gerade angesichts dessen, was wir in der Zeitung lesen, notwendig und heilsam ist, aber Paulus spricht nicht über das Judentum. Das, was Paulus für Dreck hält, ist nicht seine jüdische Identität, sondern sein Status in der Gesellschaft. In einigen Versen zuvor, die Sie in der Lesung nicht gehört haben, zählt Paulus eine ganze Reihe von Eigenschaften und Leistungen auf, die ihm die Anerkennung seiner Umwelt absicherten: Seine Herkunft, sein frommer Eifer, seine religiöse Bildung. 

Paulus ist nicht judenfeindlich, aber sehr wohl kulturkritisch. Er wendet sich gegen eine Kultur, in der Ehre, und andere Männersachen, alles ist. Das, was wirklich zählt, ist nicht die gute Kinderstube oder ein prestigeträchtiger Nachname. Und auch nicht der lückenlose Lebenslauf oder das, was am Monatsende auf dem Konto steht. Nicht die Zeugnisnoten und auch nicht der Applaus der Mehrheitsgesellschaft. Und erst recht nicht die religiösen Leistungen. Das war die große Erkenntnis der Reformation, das spielt heute auch noch eine Rolle, und das möchte ich nicht nur den religiösen Gewalttätern, von denen es in jeder Religion welche gibt, entgegenrufen. Das muss ich mir selbst immer wieder ins Stammbuch schreiben lassen. Zum Beispiel dann, wenn ich im Presbyterium beim Tagesordnungspunkt „Bericht aus den Bezirken“ versucht bin, nur von dem zu erzählen, was bei uns ganz besonders gut läuft. 

Das, was wirklich zählt, worauf sich bauen und womit sich leben lässt, findet nach Paulus überhaupt unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt in der Beziehung zwischen Christus und dem oder der Einzelnen. Die Verse am Ende des Predigttextes, in denen es um Zieleinläufe und Siegerkränze geht, werden oft und gern herausgeholt, wenn Pfarrerinnen und Pfarrer in Predigten sportliche Metaphern bemühen wollen. Aber es geht nicht um einen Wettlauf zu einem Ziel, sondern um das Verstecken- und Fangenspielen zweier Verliebter, eine Szene, wie man sie zwischen Göttern und Menschen oft auf griechischen Vasen findet. Ein Bild, das zwei Figuren in ständiger Bewegung zeigt, abwechselnd Jäger und Gejagte. Wenn das die Welt verstünde, sähe manches anders aus: Glauben ist kein Wettkampf, sondern ein Tanz. Mitten im immer schneller werdenden Gleichschritt, mitten im Dröhnen der Soldatenstiefel, mitten im Rennen um den ersten Platz tanzen Menschen aus der Reihe, wiegen sich im Takt einer Melodie, die Gott ihnen ins Herz legt und tanzen zu Klängen, die von einer anderen Welt singen. 

Vase im Louvre: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Theseus_pursuit_Louvre_G423.jpg


Das, was wirklich zählt, ist das, was mit unserem Leben passiert, wenn Christus uns die Hand auf die Schulter legt, uns in die Augen schaut und sagt: „Komm!“ 

Der zweite Grund, warum ich diesen Predigttext so heilsam in allen Nachrichten dieser Woche finde, ist, wie Paulus sich selbst in diesem Bild beschreibt. In der göttlichen Tanzschule ist selbst Paulus ein Anfänger, der vielleicht ein paar Grundschritte beherrscht, der den Rhythmus schon im Blut spürt, aber der noch nicht die Leichtigkeit besitzt, die zum Tanzen in Vollendung gehört. Paulus ist noch nicht fertig, seine Erkenntnis ist und bleibt Stückwerk. Diese Ehrlichkeit versöhnt, und diese Bescheidenheit wünsche ich mir in diesen Tagen. Auch, weil so eine Einsicht vielleicht die beste Medizin gegen Fundamentalismus jeglicher Art ist. 

Ich möchte nicht behaupten, dass ich das alles schon erreicht habe oder bereits am Ziel bin. Aber ich laufe auf das Ziel zu, um es zu ergreifen – weil ja auch ich von Christus Jesus ergriffen bin. Brüder und Schwestern, ich bilde mir wirklich nicht ein, dass ich es schon geschafft habe. Aber ich tue eines: Ich vergesse, was hinter mir liegt. Und ich strecke mich nach dem aus, was vor mir liegt. 

Religion und das, was Menschen aus ihr machen, ist in den letzten Jahren wie kaum jemals zuvor in die Schlagzeilen geraten. Vielleicht, weil aufgrund schlimmer Verbrechen in ihrem Namen deutlicher wird, dass Glauben keine Weltanschauung ist, sondern eine Beziehung, die das Leben verändert, und zwar nachhaltig und von Grund auf. Das fürchten wir, weil es Dinge in Frage stellt. Darauf hoffen wir, weil die Welt verloren wäre, wenn wir uns nicht verändern könnten. Natürlich kann man jeden Satz, den Paulus hier schreibt, ein wenig zuspitzen und aus dem Zusammenhang reißen und ihn dann in Bekennervideos der Terroristen wiedererkennen. Aber wenn wir aus diesem Grund über unseren Glauben schweigen, wenn wir öffentliche Plätze aus Angst vor Anschlägen meiden, dann haben die gewonnen, die Religion missbrauchen und Menschen töten. 

Die Fähigkeit, die eigene Vergangenheit, das eigene Leben, die eigene Religiosität kritisch zu betrachten, gehört nach Paulus zu einem erwachsenen Glauben dazu. Anlass dazu gibt unter anderem das Reformationsjubiläum, vor dem es seit gut zehn Jahren kaum ein Entrinnen gibt. Aber wir haben gelernt. Wir haben gelernt, dass das nicht einfach Lutherfestspiele sein können, dass wir auch und gerade bei den Gründervätern und –müttern unserer Konfession genau hingucken, alles prüfen müssen – und das Beste behalten. Luthers Judenschriften gehören zu dem, was die Erinnerung schwierig macht, und dass wir uns immer wieder damit auseinandersetzen, zeigt doch, wie sehr wir in dieser Hinsicht in den letzten Jahrzehnten dazu gelernt haben. Gott sei Dank. Luthers Hetzschriften gegen Juden sind nicht evangelisch, sie sind falsch und böse und entstammen einer Biografie, in der es viel Licht, aber eben auch viel Schatten gab. Aber so ist das Leben. 

Zu dem Guten, was man von Luther lernen und behalten kann, gehört ein Zitat, das wie ein Kommentar zu unserem Predigttext klingt und das es mir leichter macht, morgens die Zeitung aufzuschlagen und mit dem Wechselspiel von Licht und Schatten in meiner eigenen Welt umzugehen: 

Das Leben ist nicht ein Frommsein, sondern ein Frommwerden, nicht eine Gesundheit, sondern ein Gesundwerden, nicht ein Sein, sondern ein Werden, nicht eine Ruhe, sondern eine Übung. Wir sind’s noch nicht, wir werden’s aber. Es ist noch nicht getan oder geschehen, es ist aber im Gang und im Schwang. Es ist nicht das Ende, aber es ist der Weg. Es glüht und glänzt noch nicht alles, es reinigt sich aber alles. 

Amen. 

____________________________________________

Ein paar Anregungen stammen von Christian A. Eberhart,David E. Fredricksonund Rainer Stuhlmann.


Warme Sachlichkeit, Kohlenstaub. Rezension von "Zarte Takte tröpfelt die Zeit" von Marlies Blauth

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Manche Bücher, manche Texte lesen sich anders an anderen Orten. Man liest sie, und findet sie schön. Dann bringt man sie an die Orte, die sie beschreiben, liest sie, und stellt fest: Sie sind wahr. bergisches land heißt ein Gedicht. "in jedem haus wohnte / ein gott oder jesus". Das wusste ich. Also dass Wuppertal und das Bergische an sich und historisch bedingt um einiges frömmer ist als das Rauf und Runter der Rheinschiene. Beim ersten Lesen des Gedichts, irgendwo im letzten Sommer in Köln, nicke ich wiedererkennend. Jetzt, nach einem Dreivierteljahr Wuppertal, nicke ich beim erneuten Lesen wieder, aber anders als vorher. Langsamer, ein bisschen wissender. "ein karger segen war das / aber seelenkleidung gegen den wind". Und ich denke an Beerdigungs- und andere Gespräche mit Menschen, die "im Anfang" und "ein auf zwei Wochen" sagen und die einen Glauben haben, der ein bisschen ist wie Oppas Henkelmann: Einfach dabei, solide, eher zweckmäßig als elegant, von Omma mit Liebe gefüllt, wärmt und macht satt, und die Enkel denken manches Mal, dass das doch ganz praktisch und rührig war und fragen sich, was sie selbst in der Mittagspause essen sollen, wenn der Sushibastler, der Frittenschmied oder der Dönerdreher um die Ecke doch pleite machen würde. Ich schweife ab, aber gerade das geht gut mit diesem Buch. "irgendwo zwischen / almengrün und müdgrau / schlängelt sich meine erinnerung / über wege". Ich habe keine Ahnung, was Almen sind, aber ich weiß sofort, welches Grün sie meint, und welches Grau. Und ich kenne die Straßen und Wege, die um Wuppertal herum unelegante Pirouetten drehen, weil wieder mal ein Berg (oder, wie man hier sagt, "eine Höhe") im Weg oder zu steil war. 

Überhaupt ist das Buch ein sehr nordrhein-westfälisches. Die Autorin/Zeichnerin/Malerin/Denkerin stammt aus Dortmund und ist über Wuppertal an den Niederrhein gekommen. Und das spürt, sieht, liest, zumindest ahnt man, beim Lesen und Blättern. "Niederrhein" sagt der Kopf beim ersten Betrachten der Titelgrafik, und setzt in Gedanken kleine Ortsschilder zwischen die fließenden Farben. "Wachtendonck", "Straelen", "Kerken", und eher "Willich" als "Dinslaken". Auch die für ein paar Groschen bereiste kleine Heimat (Erinnerung/ Am Kiosk) ist sehr regionalspezifisch - versuchen Sie mal, in Baden-Württemberg irgendwo an einer Straßenecke für einen Euro eine gemischte Tüte zu bekommen. Und die Kohle! Sie hinterlässt Spuren, nicht nur in den besungenen Ruhrgebietsorten ("mein gold ist immer noch / in kohlepapier verpackt"), sondern auch in den Bildern, die hier und da in das Büchlein eingestreut sind und insgesamt für ein lockeres, atmiges, aber kein überspanntes Layout sorgen.

Form und Inhalt gehören bekanntlich zusammen, und was über das Layout gesagt wurde, trifft vielleicht auch den Inhalt am ehesten: Das Nordrhein-Westfälische. Das Lockere, aber nicht Haltlose. "Bodenständig" mag man von Lyrik ja nicht sagen, das klingt zu sehr nach Knittelversen, auch "Heimatdichtung" trifft es nicht. Eher... unaufgeregt-scharfsichtig. Blauth stellt fest, beobachtet Großes und Kleines, ohne eigenes Betroffensein zu verleugnen, aber auch ohne den Leser mit eigenen Regungen zu beelenden. Wenn es so etwas gibt, würde ich es "warme Sachlichkeit" nennen, weil es gefühlig ist und zugleich präzise: "Wenn sich die Tage zusammendrücken / man fahle Reste aufsammeln muss / und die Gedanken schon renoviert / im Hintergrund stehen." Unprätenziös, und dabei preziös in der eigentlichen Wortbedeutung von "kostbar". Man spürt den Asphalt und ahnt den offenen Himmel, hört im inneren Ohr die "dunkel gekochte Sprache".

Thematisch führen die Texte in die Lebensmitte. An vielen Stellen ist von "früher" die Rede, von Erinnerungen und dem sich einstellenden Gefühl der Endlichkeit des Lebens, ohne dass es allzu sentimental würde (anders als, wenn man an der Stelle einmal mäkeln darf, der etwas staksige Buchtitel es nahelegt) - der Kopf, der den Blick zurück wendet, ruht auf den Schultern des Jetzt, die Zeiten "verketten sich"im wiedersehen. Was Comeen sind, müsste ich googlen, ich muss es aber auch gar nicht wissen, sondern folge, wie auch an anderen Stellen, einfach dem Blick, der nicht jedes Geheimnis preisgibt.

In Kürze: Das Buch ist von Marlies Blauth, heißt "Zarte Takte tröpfelt die Zeit" und ist auf teurem und handgeschnittenem Papier im Wuppertaler NordPark-Verlag erschienen. Und Ihr solltet es kaufen und immer wieder lesen.

Gnadensprüche und Kintsugi - Liturgiedidaktik in der Konfirmandenarbeit

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#gottmachtganz
#risseundgoldstaub
#säenwachsenernten


Teile einer Hinführung zum Gottesdienst

für Konfirmand_innen



Gottes Dienst erfahren

Es gibt viele gute Konzepte, unter Zuhilfenahme ganzheitlicher und vor allemkirchenpädagogischer Methodik den Gottesdienst für Jugendliche erlebbar und buchstäblich begehbar zu machen. Diese Ansätze erscheinen besonders eindrücklich, wo eine alte Kirche und eine traditionell lutherische Liturgie den „Weg im Geheimnis“[1] vor- und nachzeichnen. Unsere Rahmenbedingungen sind andere: Weder unser moderner und recht kleiner Kirchraum, noch der uniert-reformierte Ablauf unseres Gottesdienstes geben in dieser Hinsicht viel her. Deswegen arbeiten wir stärker isoliert an Bestandteilen des Gottesdienstes, die an die großen Themen des KU und des Glaubens rückkoppelbar sind. Wir gehen auch davon aus, dass die klassische liturgische Dramaturgie zwar in sich weitgehend stimmig und von einem Gewöhnungseffekt[2]getragen ist, die Formen in traditioneller Sprache und der Straßburger Melodien aber alles andere als alternativlos sind.[3] Der im Lauf der Einheit vorbereitete Vorstellungsgottesdienst soll deutlich machen, dass wir liturgisches Lernen als einen Prozess in beide Richtungen verstehen.


#kintsugi #wabisabi

Kintsugi (金継ぎ, wörtlich „Goldflicken“) bezeichnet eine japanische Kultur- und Handwerkstechnik, bei der zerbrochenes Porzellan oder Keramik geklebt wird. Anders als in westlicher Restaurationspraxis, die großen Wert darauf legt, Bruchstellen möglichst unsichtbar werden und Repariertes makellos und unversehrt erscheinen zu lassen, wird beim Kintsugi der Leim mit Goldpulver gemischt und schadhafte Stellen so auf kunstvolle und überaus sichtbare Weise ausgebessert.[4]Kintsugi ist eine Realisierungsform des ästhetischen Konzepts Wabi-Sabi (侘寂), bei dem es, grob gesagt, um die Schönheit im Versehrten, Unvollendeten und Imperfekten geht, ein Grundsatz, der auch in der Zen-Philosophie eine Rolle spielt.[5]


Verlorenes zurückbringen, Verwundetes verbinden

„Ja“, sagte Dumbledore,
„diese Narbe wird ihm für immer bleiben. […]
Narben können recht nützlich sein.
Ich selbst habe eine oberhalb des linken Knies,
und die ist ein tadelloser Plan der Londoner U-Bahn.“[6]


Die Praxis des Kintsugi verbinden wir mit dem Eingangsteil des Gottesdienstes, genauer gesagt der Dramaturgie von Offener Schuld und Gnadenzusage, in der Gottes Versöhnungshandeln in Christus sprachlich realisiert wird. „Der Themenkomplex ‚Schuld und Vergebung‘ ist für Jugendliche besonders wichtig.“[7]Die Jugendlichen haben Erfahrungen mit Zerbrochenem, sie sind verletzt worden und haben andere verletzt. Auch nach zwölf Jahren hat das Leben Spuren hinterlassen, die sich nicht verwischen oder verstecken lassen, mit denen es leben zu lernen gilt. Die Sichtbarkeit der Risse bewahrt dabei vor einer ebenso populären wie unbiblischen Verkürzung der Rechtfertigungslehre zu einem „Gott findet schon alles irgendwie okay“[8], die Ambivalenz der Schönheit des Unvollkommenen führt in ein Zentrum (nicht nur) paulinischer theologischer Anthropologie[9]- und öffnet den Blick für Ambiguitätstoleranz als Kulturfähigkeit und spirituelle Praxis. Die langwierige Prozesshaftigkeit der Aneignung dieser affektiven Lerndimension lässt das Thema als für das Einstiegsseminar zu Beginn der Konfirmandenzeit geeignet erscheinen – als cantus firmus soll es sich durch die gesamte gemeinsame Zeit ziehen und im Schein wechselnder Bilder und Geschichten immer wieder aufblitzen. Die Vorläufigkeit und Prozesshaftigkeit wird auch im zweiten Teil der Einheit, die sich dem gottesdienstlichen Schritt Verkündigung und Bekenntnis zuwendet, eine Rolle spielen.


Material und Vorbereitung

Für den ersten Schritt nehmen wir kleine Blumentöpfe aus Ton[10](Öffnungsdurchmesser ca. 10 cm). Anstelle des mit echtem Goldstaub versetzten Urushi-Lacks haben wir Holzleim mit Goldpulver aus Lebensmittelfarbe im Volumenverhältnis <2:1 vermischt; das Pulver ist in speziellen Backzubehörläden, in manchen sehr gut sortierten Lebensmittelgeschäften und über das Internet erhältlich und weitaus feiner als Glitzerpartikel aus dem Bastelladen, außerdem gesundheitlich unbedenklich. Aus Zeitgründen wird die Masse von den Teamern angemischt, dabei wurde darauf geachtet, dass auf der gesamten Arbeitsfläche ein wenig Goldpulver verteilt wurde (das wird später noch aufgegriffen). Der Leim trocknet schnell, sodass man bereits nach einer Viertelstunde bei entsprechender Sorgfalt mit den Töpfen weiterarbeiten kann. Der Goldleim lässt sich gut mit einem kleinen Borstenpinsel auftragen; da das Hinausquellen des Leims über die Bruchkanten gewollt ist, ist kein besonders filigranes Arbeiten notwendig. Außerdem braucht man schwarze Faserstifte (nicht wasser- oder dokumentenecht) und Goldstifte, zudem Blätter, auf denen biblische Gnadensprüche aufgedruckt sind.[11]


Durchführung_ Scherben fabrizieren

Die Konfirmand_innen hocken sich draußen in einen Kreis.[12]Sie erhalten jeweils einen Blumentopf und die Aufforderung, ihn zu zerbrechen:

„Ihr alle habt wahrscheinlich schon einmal etwas geschenkt bekommen, das euch kaputt gegangen ist. Diesen Blumentopf dürft Ihr kaputt machen, ihr könnt ihn fallen lassen oder mit einem Hammer zerschlagen. Vielleicht fallen euch dabei Sachen ein, die euch kaputt gegangen sind, die ihr selbst oder die andere kaputt gemacht haben. Das können Gegenstände sein, das können aber auch Dinge sein, die man nicht sieht. Manchmal schenkt man Vertrauen – und es wird missbraucht, teilt ein Geheimnis, und es wird weitererzählt. Freundschaften können zerbrechen, Selbstvertrauen auch. Was fällt Euch ein?“

Nachdem die Konfirmand_innen ihre Scherben eingesammelt haben, geht es zur ersten Arbeitsstation, an der schwarze Faserstifte bereit liegen. Auf größeren Scherben haben die Teamer_innen Beispielsätze formuliert, um den Blick möglichst schnell von einer gegenständlichen auf eine symbolisch-relationale Ebene zu lenken. Die Konfirmand_innen können auf der Innenseite der Scherben ihre Erfahrungen des Zerbrechens aufschreiben.

„Vielleicht denkt ihr jetzt gerade an Dinge, die euch zerbrochen sind oder die einen Knacks bekommen haben, an Erfahrungen, die ihr selbst gemacht habt. Wo habt ihr jemandem Unrecht getan, verletzt? Schreibt eure Erfahrungen auf die Innenseiten der Scherben. Ihr braucht das, was ihr schreibt, niemandem zu zeigen oder zu erzählen, es kann euer Geheimnis bleiben.“

Wir nehmen bewusst nicht-dokumentenechte Stifte, weil sich die Schrift nach einigem Gebrauch der Blumentöpfe auflöst (#prozesshaftigkeit) – wenn die Konfirmand_innen nach Wochen oder Monaten in das Innere des Blumentopfs sehen, ist sie verschwunden oder zumindest verblasst.

Die ehren- und hauptamtlich Leitenden machen das mit, einerseits als Solidarisierung und Ermutigung bei einem potenziell in die Tiefe gehenden Arbeitsschritt, andererseits um eine konzentrierte Atmosphäre zu schaffen und bei Störungen behutsam und unaufgeregt intervenieren zu können.

„Jetzt stehen wir hier mit unseren Scherben…“ Diese Feststellung ist Ausgangspunkt für ein kurzes Unterrichtsgespräch, das sich um Schuld und Vergebung dreht. Erfahrungsgemäß stellen die Konfirmand_innen selbst recht schnell die Frage nach der Herkunft der Vergebung und kommen von selbst auf den Moment des extra nos, der in der alltagssprachlichen Formulierung „sich entschuldigen“ verdunkelt wird.[13]Das kann quasi-liturgisch aufgenommen werden, indem am Ende des Unterrichtsgesprächs und vor der nun nötigen Pause „Meine engen Grenzen“ (EG.RWL 600) gesungen wird.
Das handgreifliche Umgehen mit Zerbrochenem entwickelt erfahrungsgemäß eine interessante Dynamik: Die Konfis versuchen, ihre Tontöpfe selbst wieder zusammenzusetzen. Analog zur Thematik des extra nos stellt sich materialiter die Frage nach dem Kitt, der Zerbrochenes zusammenfügen kann.


Durchführung_ Kintsugi


Die Konfirmand_innen werden in eine andere Ecke des Raumes geführt, in der von der Decke Papiere mit biblischen Gnadensprüchen hängen. In einem kleinen Galerierundgang werden diese wahrgenommen, dann kann in einem kurzen Plenumsgespräch die Wirkung dieser Worte besprochen werden, bevor die Konfirmand_innen sich je einen Spruch, der sie besonders angesprochen hat, nehmen.

„Ihr habt jetzt viele Sätze gelesen. Was für Bilder hattet ihr dabei im Kopf? Wie habt ihr euch beim Lesen gefühlt? Sucht euch jetzt einen, der euch besonders angesprochen hat, und nehmt ihn mit.“

In der Bastelecke stehen Gefäße mit Goldleim, Pinsel und goldene Eddings bereit. Wenn die Konfis wieder am Platz sind, wird ihnen das Prinzip von Kintsugi und Wabi-Sabi kurz und ohne Nennung der Fremdworte erläutert – der ästhetische Grundsatz von der Schönheit des Versehrten und mit Spuren Gezeichneten ist für Konfis unmittelbar andockfähig. Das anschließende Zusammensetzen der Tontöpfe dauert je nach Scherbenzahl, Konzentration und handwerklichem Geschick unterschiedlich lange, daher bietet es sich an, ein Alternativprogramm für die Schnellen bereit zu halten, die den Topf auch schon mit „ihrem“ Gnadenspruch verziert haben. Eine Stunde reicht für diesen Arbeitsschritt jedoch aus. Auf eine Bündelung an dieser Stelle haben wir verzichtet, eine solche erfolgt tags darauf im Vollzug des Gottesdienstes.

Am Ende stehen eine Reihe von Tontöpfen vor den Konfis, mit vergoldeten Rissen und Verzierungen – und weitaus schöner und interessanter als vorher. Die Konfis tragen die Spuren des Reparaturprozesses an den Händen – der Goldstaub, der an den Fingern klebt und überall hängen bleibt, bildet den Ausgangspunkt für einen kleinen geistlichen Impuls rechtzeitig zum Mitttagessen (auf gut kirchlich gesagt: „Aus der Vergebung heraus“, umrahmt durch das Lied „Wie ein Fest nach langer Trauer“).


Das glanzvoll Reparierte füllen

In der Dramaturgie des Gottesdienstes folgt auf den Eingangsteil der Block Verkündigung und Bekenntnis. Auch von den Arbeitsschritten des Tages her bietet sich buchstäblich ein Input an, die reparierten und verschönerten Töpfe warten darauf, gefüllt zu werden. Für den nächsten Schritt braucht es an Material (aus lebensmittelchemischer Sicht unbedenkliche) Pflanzerde, gemischte Samen, Wasser, Bibeln und Schreibzeug.  

In einem ersten Schritt füllen wir die Töpfe mit der Erde, im Plenumsgespräch wird die Frage gestellt, welchem gottesdienstlichen Teil dieser Schritt entsprechen könnte. Selbst bei wenig Gottesdiensterfahrung kommen die Konfis recht schnell auf besagten Verkündigungsteil. Gemeinsam lesen wir das Sämanngleichnis Mk 4,3-10 – die Versabgrenzung erscheint sinnvoll, weil in dieser Perikope sowohl das Hören als auch die Verstehensproblematik explizit thematisiert werden. Unmittelbar im Anschluss machen die Konfis zunächst das im Gleichnis Beschriebene nach und säen die Samen ein.



Die Konfis kommen von selbst darauf, dass die Bewässerung fehlt – das bietet den Anlass für den nächsten Arbeitsschritt. In zwei-drei Untergruppen setzen sich die Konfis kreativ mit diesem Text auseinander, in unserem Fall mit dem Arbeitsauftrag, eine kleine Predigt zu schreiben – dass Bildworte auslegungsbedürftig sind, leuchtet den Jugendlichen unmittelbar ein. Der Arbeitsauftrag kann je nach Stimmung und Zusammensetzung in der Gruppe variiert werden: Bei diskussionsfreudigen Kleingruppen kann eine gemeinsame Erarbeitung das Ziel eines Gruppengesprächs darstellen, bei eher stillen Teilnehmenden kann daraus auch eine Einzelaufgabe werden, möglicherweise mit beispielhaften Leitfragen/Schreibanregungen, die den Bereichen Bibliolog/kreatives Schreiben/Poetry-Slam-Workshop entstammen: „Du bist ein Samenkorn. Wo möchtest du landen, wo würdest du dich wohlfühlen – und warum?“ – „Übersetze das Gleichnis in eine Bilderwelt, die deinem Alltag eher entspricht.“ – „Welche Ratschläge würdest du dem Sämann geben?“
Die Themen und Textsorten, die hier zusammen kommen, sind äußerst vielfältig. Nach einer freiwilligen Ergebnispräsentation wird die Saat begossen, als Symbol für die Notwendigkeit der Auslegung von und des Austauschs über biblische Texte. Die Texte der Konfis bieten außerdem Anknüpfungspunkte für die Predigt im Vorstellungsgottesdienst.


Säen, wässern, wachsen lassen

Die #prozesshaftigkeit des Wachsens und Erntens entspricht wiederum einer subtextuellen Lerndimension der Einheit: Nicht alle Arbeitsergebnisse sind direkt sichtbar, manches braucht seine Zeit – und birgt Überraschungen: Um diesen Weg nicht übermäßig lang werden zu lassen, verwenden wir Kressesamen, denen jedoch andere oberflächig keimende Samen untergemischt sind. Bei entsprechender Geduld und Pflege können in dem einen oder anderen Topf auch plötzlich Rucola oder Tomaten wachsen.[14]


Transfer, Vollzug, whatever

Die Einheit, die beim „Starterwochenende“ mit dem neuen Konfijahrgang gehalten wurde, endet erst mit dem Gottesdienst am darauffolgenden Sonntag. Das Erarbeitet wird in den Gottesdienstablauf integriert, sodass sich die Dynamik von Heilen, Füllen, Wässern in der Dramaturgie von Eingangs- und Verkündigungsteil für die Konfis nachvollziehbar ereignen kann. Deswegen kommen auch die im Rahmen des Wochenendes gesungenen Lieder vor; die Predigt bietet die Möglichkeit, das Geschehen auch für diejenigen, die nicht dabei waren, zu deuten und zu bündeln.


Starter-Gottesdienst

Musikalisches Vorspiel

Begrüßung

Lied: „Und ein neuer Morgen“

Psalm- und Kyriegebet

Lied: „Meine engen Grenzen“
Auf dem Abendmahlstisch liegen Scherben eines größeren Blumentopfs. Die Gemeinde ist eingeladen, während des Liedes ihre eigenen Erfahrungen vom Zerbrechen dort festzuhalten. Der Blumentopf wurde hinterher von Interessierten beim Kirchenkaffee an einem Tisch zusammengesetzt, der Topf mit Erde befüllt, mit Kräutern bepflanzt und mit der ausdrücklichen Einladung, sich in den kommenden Wochen zu bedienen.

Gnadenspruch

Lied: „Mercy is falling“

Lesung: Mk 4,3-10

Credo

Lied: „Wie ein Fest nach langer Trauer“

Predigt

Lied: „Kleines Senfkorn Hoffnung“

Begrüßung/Einsegnung der neuen Konfirmand_innen

Fürbitten

Unser Vater

Segen

Lied: „Der Lärm verebbt“

Nachspiel



[1] Martin Nicol, Weg im Geheimnis. Plädoyer für den Evangelischen Gottesdienst, Göttingen ³2011.
[2] Vgl. Okko Herlyn, Theologie der Gottesdienstgestaltung, Neukirchen-Vluyn 1988, 8f.
[3]http://kirchengeschichten.blogspot.de/2015/08/pladoyer-furs-handchenhalten-gegen.html
[4]https://sebastiants.wordpress.com/grosse-spiele/gold-wunden-4/gold-wunden-2/
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Wabi-Sabi
[6] JK Rowling, Harry Potter und der Stein der Weisen, dt. von Klaus Fritz, Hamburg 1998, 20f.
[7] Herbert Kolb, Neu starten. Die „Feier der Versöhnung“ in der Konfirmandenzeit, in: RPZ Heilbronn 09/09, http://www.rpz-heilsbronn.de/fileadmin/user_upload/daten/arbeitsbereiche/Konfirmandenarbeit/inhalte/Versoehnung_feiern.pdf.
[8] Vgl. die problematische Rede vom „lieben Gott“.
[9] Vgl. in Anlehnung an Paul Tillich Wilko Teifke, Offenbarung und Gericht: Fundamentaltheologie und Eschatologie bei Guardini, Rahner und Ratzinger, Göttingen 2012 (FSÖT 135), 261: „Vor dem Hintergrund der Spannung von Existenz und Essenz und der eschatologischen Spannung von schon jetztund noch nicht und der Zweideutigkeit des Lebens […] ist es konsequent, den in Christus verwirklichten Begriff des Neuen Seins prozesshaft zu verstehen. […] Zum prozesshaften Charakter des Neuen Seins gehört dann auch, dass die Bewusstwerdung der aktuellen Situation deutlicher wird und dass das Neue Sein als Prozess zum Bewusstwerden der Zweideutigkeiten des Lebens führt.“ Vgl. a. Rainer Lachmann, Grundsymbole des christlichen Glaubens. Eine Annäherung, Göttingen 1992 (BThS 7), 102f.
[10] Das Material bietet Anknüpfungspunkte für biblische Assoziationen (vgl. Jer 18, Röm 9), die im vorliegenden Entwurf nicht weiter verfolgt werden, aber sicherlich weitere Denk- und Arbeitsfelder eröffnen.
[11] Eine Auswahl findet sich in der Reformierten Liturgie, 160ff.
[12] Das Hinhocken hat praktische Gründe – der Fall aus ca. einem halben Meter Höhe auf den Steinboden lässt den Topf zerspringen, gleichzeitig bleibt das Scherbenpuzzle händelbar.
[13] https://beta.welt.de/kultur/literarischewelt/article122447817/Kein-Mensch-kann-sich-entschuldigen.html?wtrid=crossdevice.welt.desktop.vwo.social-referrer.home-spliturl&betaredirect=true
[14] Die ausführliche Beschäftigung mit dem Text halten wir für unverzichtbar, um den von Burkhard Nolte erhobenen Einwänden gegen eine „Tornisterpädagogik“, die wir in Teilen für zu kurz gedacht halten, zu begegnen: http://www.rpi-loccum.de/material/konfirmandenarbeit/ku_nolte

Erntedank und Urban Gardening

Aus "Weltladen" wird "WeltKulturLaden"...

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... weil unser Bücherschrank dorthin umzieht, weil wir wohnzimmerintime Lesungen veranstalten, und weil Eine-Welt-Arbeit sowieso viel mit Kultur zu tun hat.

 

Synodenkritzeleien I


Synodenkritzeleien II

EDEKA und kirchliche Öffentlichkeitsarbeit

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Sie haben es schon wieder getan: Nachdem EDEKA letztes Jahr die Deutschen zumindest für die Dauer von zwei-drei Minuten in dem vieldiskutierten Werbespot an ihre alten Eltern erinnert hat, wurde in diesem Jahr nachgelegt mit einem weiteren Clip, bei dem es auch wieder um Familie geht. 




In meiner höchsteigenen theologenschweren Filterbubble läuft der Clip rauf und runter, oft verbunden mit entweder ernsten Anfragen an die im Film gezeigten Genderstereotypen, oft jedoch auch mit der Frage: Warum kriegen wir so etwas nicht hin? Ich kann mir da so einiges vorstellen. Es folgen ein paar besserwisserische Kommentare zur kirchlichen Öffentlichkeitsarbeit. 
 

GESETZ UND EVANGELIUM, BINDEN UND LÖSEN, WIE IMMER MAN ES NENNEN WILL.



EDEKA legt, wenn auch in weichgezeichneten Bildern, den Finger in eine Wunde: Wie Ihr mit euren Kindern umgeht, ist scheiße. Das ist sicherlich überzeichnet, ich merke aber auch: Irgendwo trifft es mich doch. In kirchlichen Clips wird so etwas vermieden, weil man niemandem auf den Schlips treten will. Zum Teil aus sicherlich bedenkenswerten seelsorglichen Erwägungen (will man den überforderten Eltern noch einen reinwürgen?), zum Teil aber auch aus zeitgebundenen Erfahrungen und theologischen Unklarheiten: Wogegen wir sind, das haben wir verlernt zu sagen. Aus gutem Grund, weil der Übergang von der sich bis in die Nachkriegsjahre hinein allein durch Abgrenzung definierenden Kirche auch eine Befreiung war. Und gleichzeitig auch nicht, weil auf diesem Weg an vielen Stellen die Klarheit verloren gegangen ist. 

DIE ZIELGRUPPENFRAGE.


Werbung richtet sich an Zielgruppen. Hemmungs- und alternativlos. Wirtschaftsunternehmen geben mehr für Kundenkreisanalysen aus als wir. Und allen Milieueinsichten zum Trotz wird kirchliche Öffentlichkeitsarbeit zwar auch aus einer bestimmten Milieuwarte heraus betrieben, leugnet diese Bindung aber und gibt vor, allen alles sein zu wollen. Da kann wenig mehr rauskommen als dümmliches Dödelö und krampfige Gefühligkeit, die man einerseits fürchtet, andererseits für den kleinsten gemeinsamen Nenner allen Volkes hält. "Herzergreifend" zu predigen würde, unterstelle ich mal, automatisch unter den Generalverdacht der emotionalen Manipulation gestellt, so wie man dem Kollegen X oder der Gemeinde Y, die Sonntag für Sonntag überdurchschnittliche Gottesdienstzahlen vorweisen können, gern reflexartig Oberflächlichkeit und theologische Massenwaren unterstellt.

VOM MUT, NICHT ÜBER SICH SELBST ZU REDEN.


EDEKA traut sich, zumindest vordergründig, nicht für sich selbst Werbung zu machen. Die Kirche traut sich das nicht. Die letzten Video- und sonstigen Kampagnen, an die ich mich erinnern kann, waren weitestgehend Imagefilme für die Vereinskirche. Die werden mit großem Getöse vorgestellt, oft unter Rekurs auf das mediale Ereignis, das die Reformation auch war, mit Flugschriftenschwemme und dergleichen. Der Unterschied war aber, dass die besagten Flugschriften für das geworben haben, was man als theologisch richtig und heilsam erkannt hat, und so dazu beigetragen haben, reformatorische Gedanken zu popularisieren. Abgesehen von einer zu einem "der liebe Gott findet alles irgendwie gut" reduzierten Rechtfertigungstheologie höre ich wenig Glaubensaussagen, und sehe noch weniger Kreativität bei dem Versuch, solche neu zu formulieren.

STORYTELLING... NOT.



Gute Werbung ist gutes Storytelling. Theologie war das auch mal, aber die Verniedlichung des Glaubens zur Weltanschauung und die behördenkirchliche Identität haben das irgendwie untergehen lassen (historisch fing das bestimmt auch schon mit den Apologeten und den apostolischen Vätern an). Das sieht man, wenn man auf Gemeindehomepages rumsurft - wenn es da Bilder gibt, zeigen die in aller Regel Gebäude oder aber Amtsträger_innen in voller Montur, die irgendetwas tun, was sich dem Uneingeweihten nicht erschließt. Sehr viel Statisches, sehr viel Unintuitives, und wenn es mal darum geht, "was wir glauben", werden in der Regel Gemeindekonzeptionen von sprachlich und theologisch zweifelhafter Qualität vorgestellt.


Als Kirchengeschichtler bin ich immer etwas zögerlich, wenn aktuelle Entwicklungen so einfach auf Jahrhunderte oder Jahrtausende zurückliegende kirchengeschichtliche Ereignisse zurückgeführt werden. Trotzdem kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass kirchliche Medienpräsenz etwas von einer nachbilderstürmerischen Landschaft aus Bleiwüsten hat (und dieser Blog ist sicherlich keine Ausnahme). Bislang, correct me if I'm wrong, gibt es noch keinen kircheneigenen Bildpool, der eine nennenswerte Zahl an Fotos in nennenswerter Qualität bereit hielte. So bleibt der Rückgriff auf externe Stockfotos oder, in den meisten Fällen, die lähmende Angst vor missbrauchten Bildrechten, weswegen man es dann doch gleich sein lässt.

SPARZWANG UND MEDIENINKONTINENZKOMPETENZ



Auf meinem Smartphone habe ich eine App der Church of England, Reflections for Daily Prayer. Eine der ganz wenigen Apps, die ich mir etwas kosten lasse. Jeden Tag: Ein Bibeltext, ein paar kluge Gedanken dazu, ein Gebet. Bestimmt wenig interessant für Kirchenferne, aber nahrhaft für mich. Auf Deutsch habe ich so etwas bislang nicht gefunden. Vielleicht hängt das damit zusammen, dass wir in der Kirche immer noch davon ausgehen, dass irgendwie medienaffine Menschen zwangsweise kirchenfern und theologisch ungebildet sein müssen, denen man nur kleine, leichtverdauliche Häppchen präsentieren kann. Angemessene, Inhalt und Adressaten gleichermaßen wertschätzende Elementarisierung gehört zu den schwierigsten Aufgaben von Theologinnen und Theologen - im weiten Feld der Kindertheologie weiß man das mittlerweile, in der "Ökumene der dritten Art", dem Kontakt zu "Kirchenfernen" oder "religiös Unmusikalischen" wohl noch nicht so.

Von den Württembergern gibt es immerhin eine AndachtsApp. Auf die aufmerksam geworden bin ich durch einen Werbespot, den ich vom Ergebnis her irgendwie komisch fand, vor dem ich aber trotzdem großen Respekt hatte und habe, weil er sich so ganz jenseits von dem bewegt, was kirchliche Videos sonst so ausmacht. Ich habe sie mir runtergeladen - und recht schnell wieder gelöscht, denn die (gut verschlagworteten) Andachten sind, soweit ich sehen kann, weitestgehend recycelte Videos, die es schon anderswo gab und die mich auch dort nicht so recht überzeugen. Auch hier ist mir die Zielgruppe nicht klar, auch hier zeigt sich die Unentschlossenheit, mit der man mit Medien umgeht: Man wagt den Griff zum Clip, möchte aber kein Geld in die Hand nehmen, um die Vorteile des Mediums zu nutzen. Die Clips sind weitestgehend statisch, zeigen Menschen mittleren und höheren Alters, die vor einem mehr oder weniger augenfreundlichen Hintergrund in die Kamera sermonieren - ein bisschen wie die Regionalvariante des Wort zum Sonntags.

VON DER ANGST VOR DER DEUTUNGSHOHEIT


Man wird Wetten abschließen können, in wie vielen Weihnachtspredigten im Jahr 2016 die nachlässigen EDEKA-Eltern und ihre traurigen Kinder den Lebensnähe vorgebenden "Aufhänger" darstellen. So wie der totgesagte EDEKA-Opa letztes Jahr. Und so, wie es vor ein paar Jahren tadelnd von den Kanzeln tönte, Weihnachten würde mitnichten unterm Baum, sondern (je nach theologischer Couleur) an der Krippe oder unterm Kreuz entschieden.

Ich finde sehr, dass wir von den guten Geschichtenerzählern der Werbung lernen können. Ich glaube aber nicht, dass das darin besteht, ihre Filmchen kommentierend nachzuerzählen.

Ich finde aber auch, dass wir sehr vorschnell das Kompetenzgefälle festlegen - wir mögen bitte von Werbung und PR lernen. Dass das sehr wohl auch anders ginge, zeigen die religiösen Motive, deren sich Werbung auch immer bedient und bedient hat. Manchmal mit großem Erfolg - auch oder weil wir die Deutungshoheit von uns schieben und religiöse Motive und biblische Bilder in unserer Öffentlichkeitsarbeit meiden wie der Teufel das Weihwasser. Wo Filmemacher und Werbetreibende epische Dramen erzählen und inszenieren, verticken wir halt Luther-Kuchenschablonen und lassen mehr oder weniger bekannte Prominente streckenweise Belangloses zur neuen Lutherübersetzung sagen
 
Und nachdem ich jetzt lang genug über mangelnde Medienkompetenz genörgelt habe, gehe ich ins stille Kämmerlein und gräme mich, dass ich es nicht einmal schaffe, bei Blogger die Texte einigermaßen vernünftig zu formatieren. 

Vorblättern. Offb 21,1-7 (Ewigkeitssonntag)

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Wenn mir ein Krimi zu spannend wird, tue ich manchmal etwas, das eigentlich verboten gehört, es wahrscheinlich auch ist. Wenn mir die Spannung einfach zu viel wird, wenn schon wieder ein loser Faden in der Luft hängen bleibt und ich mir nicht mehr vorstellen kann, dass es irgendwie gut ausgehen könnte – dann blättere ich vor, auf die letzten Seiten. Lese nach, wessen Name auf dem Grabstein steht, wer am Ende übrig bleibt. Atme tief durch – und blättere wieder zurück irgendwo in die Buchmitte. Die Spannung bleibt – aber sie wird besser zu ertragen.

Am Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag im Kirchenjahr, wenn die Bäume entlaubt und die Zeichen auf Abschied stehen, blättern wir in der Bibel vor, auf die allerletzten Seiten. Wir folgen dem Blick des Sehers auf Patmos, lesen die Zeilen, die er an sieben Gemeinden seiner Zeit schreibt. Die Spannung ist unerträglich, von innen her droht Streit und Spaltung, von außen droht die eiserne Hand des Kaisers, die Lage erscheint aussichtslos. Wir lesen sein Schreiben als einen Brief an uns, die wir heute hier sind und an all die Gräber denken, an denen wir im vergangenen Jahr gestanden haben. An das Gefühl von Endgültigkeit, das nach uns griff, als die erste Schaufel Erde auf den Sarg oder die Urne fiel. Wir lesen auf den letzten Seiten, und erkennen Gottes Stimme.


Siehe, ich mache alles neu.


Aber es ist doch alles neu. Es ist doch schon alles anders als früher.
Das Pflegebett schon abgeholt.
Du kommst nach Hause und die Wohnung ist dunkel,
wo früher jemand aus der Küche rief: „Bist du schon zuhause?“,
ist Schweigen.
Du steigst nach der Arbeit ins Auto,
willst reflexartig immer noch links abbiegen,
noch mal schnell im Krankenhaus vorbeischauen.
Setzt schon den Blinker - und denkst dann: „Ach so, nein…“
Hast die Nummer noch nicht aus dem Handy gelöscht,
noch nicht alle Kleider aus dem Schrank geräumt,
und weißt doch: Sie werden nicht mehr gebraucht.
Verteilst Trauerkarten und Danksagungen
wie Visitenkarte, die sagen: Ich bin jetzt ein anderer.
In dem neuen Leben, in der neuen Welt
macht niemand mehr viel zu viele Pfannkuchen,
träumt keiner mehr vom Bodensee,
bleibt das Kreuzworträtsel ungelöst
das Gras ungemäht,
gibt es kein Taschengeld mehr am Donnerstag,
fährt der Enkel jetzt selbst zur Musikschule,
faltet und reißt niemand mehr das Papier,
geht draußen das Leben einfach so seinen Gang,
und doch ist alles anders.
Es ist doch schon alles neu, alles anders als vorher.


Aber es ist nicht alles gut. So sehr wir uns auch trösten mit den Erinnerungen an viele und erfüllte Lebensjahre, so sicher wir uns sind: Sie hat es jetzt besser. Am Ewigkeitssonntag ist Raum für Trauer und Klage, und mittendrin: Raum für Hoffnung, die alles übersteigt, was wir sehen und fühlen. Am Ende wird alles gut, und wenn nicht alles gut ist, dann ist es noch nicht das Ende. 


Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr.


Das Meer ist nicht mehr. Viele von denen, die wir im letzten Jahr zu Grabe getragen haben, haben das Meer geliebt, sind gern und viel gereist, haben am Strand von Sylt gestanden und die salzige Weite geschmeckt oder hier in Wuppertal von der windgeschüttelten Heimat Ostfriesland geträumt. Das Meer ist nicht mehr. Für den Seher auf Patmos ist das Meer kein Sehnsuchtsort, sondern eine unüberwindbare Barriere, die ihn von seiner Heimat trennt, unheimlich, wie auch für die abertausend Geflüchteten, die Jahr für Jahr an der afrikanischen Küste stehen. Das Meer. Unendlich weit und tief wie die Trauer, vor der manche von Ihnen in diesem Jahr gestanden haben, in der mancher glaubte zu versinken. Unberechenbar, wenn plötzlich aus heiterem Himmel ein Sturm die Wogen haushoch peitscht, so wie bei manchen von Ihnen nach Monaten, vielleicht sogar Jahren die alten Wunden plötzlich aufbrechen. Unergründlich, wie die Geheimnisse, die manche mit ins Grab genommen haben, die Rätsel, mit denen die Überlebenden zurückbleiben. Das Meer wird nicht mehr sein, die See aus Tränen getrocknet, der Ozean aus Zeit überwunden, die Wogen geglättet, das Verborgene sichtbar.




Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann.


Als Johannes diese Zeilen schreibt, ist von dem einstmals so prächtigen Jerusalem nicht viel übrig. Der Tempel zerstört, die Straßen verwaist, die geistliche Heimat von Juden und Christen kaum mehr wiederzuerkennen. „Sie war kaum mehr wiederzuerkennen“, haben manche von Ihnen gesagt, wenn das Ende sich quälend lang ausgedehnt hat. „Als sie zum ersten Mal ungeschminkt aus dem Haus ging, da wusste ich, dass etwas nicht stimmt.“ Das neue Jerusalem wird anders sein. Neu aufgebaut, nicht in alter Pracht, sondern in neuer Schönheit. Es wird gesät verweslich und wird auferstehen unverweslich. Es wird gesät in Niedrigkeit und wird auferstehen in Herrlichkeit. Es wird gesät in Armseligkeit und wird auferstehen in Kraft. Es wird gesät ein natürlicher Leib und es wird auferstehen ein geistlicher Leib. Wir werden anders sein. Neu geschaffen, auferstanden und verwandelt. Ob unsere grauen Haare die Farbe wieder gewinnen, ob unsere Falten geglättet und unsere Narben verschwunden sein werden – ich weiß es nicht. Vielleicht werden sie uns auch einfach nicht mehr stören. 




Das neue Jerusalem kommt von oben, wie alles Gute. „Irgendwie tröstlich“, sagte jemand bei einer Beerdigung, als es am Grab zu regnen begann, wie es das in Wuppertal oft tut. „Irgendwie tröstlich – so sind wir aufgewachsen…“ Das neue Jerusalem kommt. Wie alles Gute können wir es weder herbeiwünschen noch erzwingen. Gottes neue Welt kommt auf uns zu, und manchmal blitzt sie am Horizont auf.


Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.


Vielleicht haben Sie im letzten Jahr schon erlebt, wie es sein wird. Durch jemanden, der ihnen wortlos ein Taschentuch gereicht, die Tränen getrocknet, Sie im richtigen Moment in den Arm genommen hat. Bei Ihnen im Dunkeln gesessen hat, für Sie dagewesen ist und Tod, Leid und Schmerz für den Moment zurückgedrängt hat. Vielleicht sind solche Momente Vorgeschmäcker auf die Stadt, die kommt, vielleicht, oder sehr wahrscheinlich, sitzt in diesen Momenten jemand mit am Tisch, den wir nicht sehen und an den wir trotzdem glauben und mit dem wir rechnen müssen. Der Himmel, der kommt, grüßt schon die Erde, die ist, wenn die Liebe das Leben verwandelt.

Am Ewigkeitssonntag, dem letzten Sonntag im Kirchenjahr, wenn die Bäume entlaubt und die Zeichen auf Abschied stehen, blättern wir in der Bibel vor, auf die allerletzten Seiten. Lesen dort: Es wird alles gut, und wenn nicht alles gut ist, dann ist es eben noch nicht das Ende. Stellen fest: All die Erfahrungen des letzten Jahres sind keine Schlusskapitel. Nach einigen leeren Seiten wird die Geschichte weitergeschrieben: Die Lebensgeschichten unserer Verstorbenen, unsere eigenen, und die der ganzen Welt. Wir blättern zurück und wissen um das Ende. Da wird alles gut. Das nimmt die Spannung nicht völlig weg, das wischt nicht alle Trauer weg. Aber beides wird erträglicher.


Amen.

O du fröhliche #jetzterstrecht

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Die Welt tut nicht allzu weihnachtlich in diesen letzten Tagen der Adventszeit 2016. Aleppo mag man nach ein paar Minuten des Gruselns und einem pflichtschuldig geteilten #prayforaleppo Aleppo sein lassen, die Stadt ist weit genug weg, die Wenigsten sind dermaleinst höchstpersönlich durch die nunmehr zerstörten Straßen spaziert und dadurch wenigstens irgendwie persönlich betroffen. Vom Bürgerkrieg in Somalia, vom Treiben in der Ukraine, vom Drogenkrieg in Mexico und dergleichen gar nicht zu reden. Berlin ist anders. Berlin ist näher. Und Weihnachtsmärkte kennt man aus eigener Anschauung zur Genüge. 


In Pfarrerskreisen, wo im Moment im Akkord Weihnachtspredigten geschrieben werden, öffnet man ächzend die Word-Dokumente, die man für bereits fertig hielt, stellt Geschriebenes in Frage oder ändert wenigstens die Fürbitten und nimmt so das #prayforberlin wörtlich. Pastor_innen und Kirchenmusiker_innen fragen laut, ob man eigentlich in diesem Jahr "O du fröhliche" singen könne. Es ist ehrenwert, wenn man zulässt, dass die Weltlage bei der Predigtvorbereitung stört, es ist theologisch und christologisch wichtig, dass die alte und spätestens seit den 1960er Jahren alljährlich mal wieder gestellte Frage, ob man dem volkskirchlichen Wunsch nach Rührseligkeit und Tradition oder dem eigenen prophetischen Anspruch das letzte Wort lässt, wieder offen ist. 

Trotzdem verstehe ich nicht, warum man nicht "O du fröhliche" singen sollte - und ich ahnezuversichtlich, dass die Frage eher rhetorisch ist und/oder Ausdruck einer, wieder sehr ehrenwerten, momentanen Sprachlosigkeit angesichts des Leides in der Welt. 

Auch auf die Gefahr hin, zynisch zu klingen: In Berlin ist das garstige Leben mitten in unsere weihnachtliche Betulichkeit hineingefahren. Bei aller Tragik ist das nichts Außergewöhnliches - leider. Das erleben landauf, landab alle die Menschen bereits, die in dieser Woche noch an einem offenen Grab stehen. Die das erste Weihnachten "ohne"vor sich haben. Wenn man ihnen zumutet, "O du fröhliche" zu singen - warum nicht allen anderen auch? 

Ein weiteres: Das Lied stammt aus der Feder von Johannes Daniel Falk (1768-1826), es war ursprünglich als Dreifeiertagslied geschrieben, in dem jede Strophe ein großes christliches Fest besang. Falk war einer der Begründer der sog. Rettungshausbewegung, in der vornehmlich christlich-großbürgerliche Persönlichkeiten Einrichtungen für Kinder und Jugendliche in Not gründeten. Der Publizist Falk, selbst vierfach verwaister Vater, dessen Kinder an Typhus verstorben waren, gründete das Rettungshaus in Weimar, das zum Vorbild für das ungleich berühmtere Rauhe Haus in Hamburg wurde. "O du fröhliche" ist also, ob als Weihnachts- oder Dreifeiertagslied, keineswegs ein kitschiges Schreibtischprodukt frühromantischer Frommdichterei, sondern ist entstanden im Kontakt und in tatkräftiger Auseinandersetzung mit tödlicher sozialer Not.
Martin Rößler schreibt dazu:


"Bedenkt man dieses Milieu: keine behütende Gemeinde und keine kirchliche Liturgie, sondern eine zusammengewürfelte Gruppe, die erst durch die Tat der Liebe vereint wurde, und eine seelsorgerliche Gesprächsebene, die den harten Alltag bedrängend und bedrückend empfand - dann ist klar, dass nicht bloß die wohl situierten Kirchenlieder gepflegt werden konnten."
Besser als Andreas Wendt kann man ohnehin nicht ausdrücken, worum es an Weihnachten geht: 


Auch im Lied selbst steckt in verdichteter Kürze das Wissen um das Schlimme an der Welt: "Welt ging verloren / Christ ist geboren!"

Vielleicht ist Weihnachten 2016 eine Chance, weil sich die Hoffnung, die uns in die Wiege gelegt ist, zumindest vordergründig anders in vorigen Jahren bewähren muss - und bewähren wird. Wie so oft, so gehen andere unbefangener als wir damit um: Viele Zeitungen druckten gestern und heute ein großes "Fürchtet euch nicht!" auf ihre Titelseite, als Mahnung ("Reißt euch zusammen!") und als wohltuender und nötiger Kontrast zur riesigen, lähmenden "ANGST!!!"-Schlagzeile der BILD-Zeitung. Deutlicher kann der Unterschied zwischen Welt und Himmel, Teufel und Engel, Trug und Hoffnung kaum werden. 

Daher, liebe Kolleg_innen auf den Kanzeln und an den Orgeln, liebe Gottesdienstgemeinden, bitte, bitte: Singt es! Aus voller Kehle, mit allen Registern und Zimbelstern und lauter als alle Pegida-Demonstranten und BILD-Schlagzeilen zusammen!

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/thumb/5/50/'The_Angel_Appearing_before_the_Shepherds'_by_Thomas_Buchanan_Read,_Dayton_Art_Institute.JPG/1280px-'The_Angel_Appearing_before_the_Shepherds'_by_Thomas_Buchanan_Read,_Dayton_Art_Institute.JPG

Engel und Hirten - Meditation zu Lk 2



...UND DIE HIRTEN FÜRCHTETEN SICH SEHR...


Hirten haben Angst.
Weniger vor dem, was sie kennen.
Weniger vor Wölfen und Löwen,
vor davonlaufenden Schafen,
vor Schafrotz, Räude und Moderhinke.
Weniger vor den abschätzigen Blicken
der Sesshaften und Bessergestellten.
Aber Angst vor dem, was sie nicht kennen.
Was anders ist.
Was die eigene Welt in neuem Licht erscheinen lässt,
das Versteckte beleuchtet
und Weltbilder verschwimmen lässt.


....UND DER ENGEL SPRACH: FÜRCHTET EUCH NICHT…


Fürchtet euch nicht.
Weil Angst der schlechteste aller Ratgeber ist:
Hirten werden zu Schafen.
Verlieren den Überblick.
Laufen wild durcheinander.
Rennen einander um.
Rotten sich zusammen,
lassen die schwarzen Schafe draußen,
und niemand zieht mehr alleine los
um das eine Verlorene zu suchen.
Fliehn vom Licht ins Dunkel
und fangen an, mit den Wölfen zu heulen,
die unter dem Schafspelz die Zähne fletschen.

FÜRCHTET EUCH NICHT. EUCH IST HEUTE DER HEILAND GEBOREN…

Habt keine Angst vor dem Neuen, dem Anderen.
Ihr braucht Es. Ihn.
Immer schon. Und immer wieder.
Um neu anzufangen.
Den Staub aus den Kleidern zu schütteln.
Zu sehen, dass es anders sein kann
und anders sein muss.
Denn das Alte soll vergehen
und Neues geboren werden
und heranwachsen
und Wasser in Wein verwandeln
und Blinde sehen
und Lahme tanzen lassen
und mit euch leiden
und für euch sterben
und auferstehen
und alle mitreißen.


UND ALS DIE ENGEL VON IHNEN GEN HIMMEL FUHREN, SPRACHEN DIE HIRTEN UNTEREINANDER: LASSET UNS GEHEN GEN BETHLEHEM UND DIE GESCHICHTE SEHEN, DIE DA GESCHEHEN IST


Geht hin. Seht und staunt,
wie Ihr überwältigt werdet vom Wunder des Lebens
und angerührt von dem Anderen.
Er wird einer von euch
und ihr sollt es machen wie Er: Mensch werden.
Nehmt ihn mit
in eure Städte
auf eure Felder
in eure Gespräche.
Und weidet seine Schafe.
Und sagt allen: Fürchtet euch nicht.
 

Jesus und die Brotkrümel und Martina // Jesus och brödsmulorna och hon Martina

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(svensk version se nedan)


Jesus und die Brotkrümel und Martina.



Nach dem Gottesdienst ist er plötzlich da. Sitzt an meinem Küchentisch. „Friede sei mit dir“, sagt er fröhlich und winkt, als ich durch die Tür gerauscht komme und erstmal meinen Schlüsselbund fallen lasse. Wahrscheinlich sollte man in so einer Situation etwas Weihevolles wie „und mit deinem Geist“ sagen und freudig denken: „Der Heiland ist bei mir eingekehrt!“ Ich denke daran, dass ich Tisch nach dem Frühstück noch nicht abgewischt habe und auf dem Tisch noch eine halbleere Kanne Tee steht. Und sage sowas wie: „Du hier?!“ „Klar“, nickt er, „ihr habt doch so laut gesungen. Macht hoch die Tür und so, da dachte ich, ich schau mal vorbei.“ Ich mache „hmhm“ und überlege fieberhaft, was man ihm denn anbieten könnte. Er scheint meine Gedanken zu erraten, tut es wahrscheinlich auch, weist mit der Hand auf den Stuhl ihm gegenüber und sagt großzügig: „Mach dir keine Sorgen und Mühe. Komm, setz dich!“ Etwas unschlüssig nehme ich Platz, bin plötzlich Gast in meiner eigenen Küche. „Na“, fragt er aufgekratzt, „wie geht es dir denn so?“ „Gut“, sage ich, wie man das halt immer sagt. „Mhm“, macht er, wenig überzeugt. Legt den Kopf schief. Malt mit dem Finger in den Brotkrümeln rum. Sagt nichts. Und irgendwie fange ich doch an zu erzählen. Höre irgendwann gar nicht mehr auf. Was ich an Tollem erlebe. Ein bisschen auch, was ich Tolles vorhabe, wie man das halt macht, wenn einem der Chef begegnet. Er hört aufmerksam zu, nickt zwischendurch aufmunternd. Als mein Redeschwall verebbt, guckt er immer noch. „Und bei dir so“, frage ich. Er schüttelt lächelnd den Kopf. „Der Menschensohn ist nicht gekommen, sich zuhören zu lassen, sondern um zuzuhören. Echt alles gut?“ „Nein“, sage ich leise. Und auf einmal geht es los. Ich fange an zu erzählen, über das, was schwer ist. Er ist gut, lässt mich ausreden, macht an den richtigen Stellen „hmhm“ und „oh“ und so. Und ich hole immer weiter aus, irgendwann erzähle ich sogar, warum auch immer, von der dicken Martina aus der Parallelklasse, damals, in der Grundschule, die keine Eltern mehr hatte und immer von ihrer Oma bis zur Klassentür gebracht und wieder von dort abgeholt wurde. Wir fanden sie doof, sind manchmal auf dem Nachhauseweg hinter ihnen hergelaufen. Konnten damals nicht verstehen, was die beiden verletzte und verband. „Ja, Martina und ihre Oma“, sagt er, bekommt etwas Schmerzhaftes im Blick. Und ich wünsche mir, dass er mir jetzt erzählt, dass Martina eine erfolgreiche Neurochirurgin geworden und ihre Oma nach ihrem 105. Geburtstag mit einem Glas Sekt in der Hand lächelnd im Fernsehsessel eingeschlafen ist. Aber er sagt nichts in der Richtung. Guckt mich nur an. „Das tut mir leid“, flüstere ich, sage es für mich und die anderen, und merke auf einmal, wie mir Tränen das Gesicht runterlaufen. Er nickt. Macht irgendwas mit der Hand in der Luft und reicht mir ein Taschentuch. Pustet einmal auf die Brotkrümel auf dem Tisch, und da steht ein Teller mit Plätzchen. Tippt mit der Fingerspitze an die Teekanne, und innen drin brodelt es, und in der ganzen Küche riecht es nach Pflaumen und Zimt und Kardamom. Nimmt ein Plätzchen in die Hand, bricht es durch, gibt mir das größere Stück. „Nimm hin und iss.“ Gießt uns beiden den dampfend heißen Tee ein, schiebt mir die Tasse hin. „Nimm hin und trink“. Und wir essen und trinken, und der Tee wärmt und die Plätzchen schmecken nach Butter und Zimt und Zuhause. „Ist gut?“ fragt er irgendwann, und bevor ich etwas sagen kann, nickt er. „Ist gut.“ Und ich traue mich auch zu nicken. „Ich muss dann auch mal weiter“, sagt er, steht auf, geht zum Küchenschrank und kramt in den Schubladen rum. Zieht ein paar Sachen raus, die ich ewig nicht benutzt habe und hält sie hoch. „Brauchst du die noch?“ fragt er, ich mache „äh…“, aber er steckt sie schon in eine IKEA-Tasche. „Ich kenne da jemanden, der das brauchen kann.“ „Klar“, mache ich. Beim Verabschieden legt er mir die Hand auf die Schulter und lächelt mich an. „Danke“, sagt er irgendwann. „Ich hab zu danken…“, beginne ich, aber er winkt ab. „Bis demnächst mal“, sagt er aufgekratzt, dann ist er auch schon zur Tür raus. Und ich sitze wieder in meiner Küche. Nehme einen Schluck Tee, sehe die offenen Schubladen, merke, wie erschöpft ich bin. Und befreit. Hol das Smartphone aus der Tasche und suche nach einer Martina. Es wird Weihnachten.  

(Das Bild "Jesus und Brotkrümel" stammt von Maria Ottensten, die Idee, über Kindheitskonflikte zu reden, von Hans-Dieter Hüsch)

Jesus och brödsmulorna och hon Martina.


Plötsligt är han här. Sitter vid mitt köksbord när jag kommer instormandes i köket och nästan tappar mina nycklar i golvet. ”Guds fred vare med dig”, hälsar han glatt, och jag antar att man borde svara med något vördnadsfullt, typ ”Var hälsad sköna morgonstund”, och tänka något i stil med ”Hosianna, frälsaren har kommit till mit hus” eller så. Men det enda jag får ur mig är ett häpet ”Jaha, är det du...”, och det enda jag kommer att tänka på är att jag inte hunnit torka av bordet efter frukosten och att där står en halvtom kanna med avslaget thé. ”Jo”, säger han glatt, ”jag hörde er sjunga er så fint i kyrkan, Bereden väg och Gören portarna höga och allt det där, och då tänkte jag titta förbi.” Febrilt börjar jag leta efter något att bjuda på. Han verkar kunna läsa mina tankar, eller förresten, han kan nog det också, och bara säger: ”Du gör dig mycket bekymmer och oroar dig för så mycket – kom och sätt dig ner istället!” Gör en inbjudande gest med handen, och jag slår mig ned på stolen mittemot honom, har plötsligt blivit en gäst i mitt eget kök. ”Hur är det egentligen?” frågar han och ser nyfiket på mig. ”Bara bra”, svarar jag, som man brukar göra, sen berättar jag om allt det roliga jag varit med om – och lite om alla de spännande projekt jag håller på med. Som man brukar göra när tillfället ges och man tar ett snack med sin högsta chef. Eller sin nästhögsta, jag har inte fått det där riktigt klart för mig. Han lyssnar, nickar tålmodigt då och då. När jag är klar, frågar jag: ”Jaha, och själv då, allt väl med dig?” Men han ler och skakar på huvudet, ”människosonen har inte kommit för att bli lyssnad till, utan för att lyssna. Men handen på hjärtat nu – är allt okej?” ”Nja, allt är väl inte okej”, börjar jag, och plötsligt störtar det ur mig som ett vattenfall och jag börjar prata om allt det som känns tungt. Han är bra, han lyssnar, låter mig berätta, säger ”ojdå” och ”nähä” vid precis de rätta tillfällen. Och jag babblar på, berättar om allt möjligt - till och med tjocka Martina i min parallelklass i grundskolan berättar jag om, Gud vet varför. Hon som hade förlorat båda sina föräldrar och som hade en farmor kvar i livet som hon blev både lämnad och hämtad av vid klassrumsdörren, varje dag. Varje dag satt hennes farmor på en stol utanför dörren och väntade på att Martina skulle komma ut. Vi pojkar tyckte de var dumma, ibland sprang vi efter de på vägen hem och skrek fula ord, vi kanske visste, man hade ändå ingen aning om den gemensamma sorgen i deras liv. ”Jaaa, Martina och hennes farmor”, suckar han, får något smärtsamt i blicken, och jag önskar inget mer än att han berättar att Martina utbildat sig till neurokirurg och att hennes farmor stilla somnat in efter sin 105årsdag, sittandes i sin fåtölj med ett glas champagne i handen. Men han säger ingenting, han bara tittar. ”Jag är ledsen”, viskar jag, för min egen och för de andras skull, och känner tårarna rulla nedför mina kinder. Han gör någonting med handen, räcker mig en näsduk. Pustar lätt på brödsmulorna som ligger på bordet, och plötsligt står där ett fat med gyllengult saffransbröd. Hans fingertopp snuddar vid thékannan, och det bubblar inifrån och rummet fylls av dofter av äpple och kanel. Och han tar en lussekatt, delar den och ger mig den större biten. ”Tag och ät”, säger han. Sedan fyller han en mugg med rykande hett thé och skjuter det över bordet. ”Tag och drick”, säger han. Och jag äter och dricker, och théet värmer och brödet smakar saffran och kardemumma och apelsin och hemma. ”Är det bra?” frågar han, och innan jag hunnit svara något, nickar han. ”Jo, det är bra”. Och jag vågar nicka jag också. ”Jaha, då var det dags för mig och dra vidare”, säger han, reser sig och går fram till köksskåpen. Öppnar dörrar, rotar i lådor, tar fram en del prylar som jag inte använt i år och dagar och håller upp dem. ”Behöver du dem här egentligen”, frågar han, och innan jag hunnit svara stoppar han ner grejerna i den medhavd blå IKEA-kassa. ”Jag vet någon som kan ha stor nytta av det där” förklarar han någorlunda stolt. ”Visst”, mumlar jag. När vi säger hej då lägger han en hand på min axel och ler mot mig. ”Tack ska du ha”, säger han. ”Mja, det är jag som får tacka...” börjar han, men han viftar bort det med handen. ”Ha det bra nu, vi hörs och syns” säger han upprymt, och så är han försvunnen igen. Och jag sitter i mitt kök, vid mitt köksbord. Tar en klunk thé, ser öppna lådor och skåpdörrar. Känner mig helt slut men även otroligt befriad. Tar fram min mobil, loggar in på facebook och börjar leta efter en viss Martina. Det blir jul.

Die Letzte macht das Internet aus.

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Irgendwann im Vikariat schlug ich einmal vor, eine Gemeindeveranstaltung bei Facebook zu bewerben. Und alle um mich herum rangen die Hände, schüttelten die Köpfe, und irgendjemand sprach ein Machtwort: "Nein, da kommen nachher tausend Menschen!" Es war die Zeit, als durch die Printmedien Geschichten von privaten Geburtstagsfeiern gingen, die, über Facebook beworben, aus dem Ruder liefen. Abgesehen davon, dass sich hier beispielhaft eine tief verwurzelte Angst der Kerngemeinde vor zu vielen fremden Leuten zeigt, macht es deutlich, woher das in Resten noch vorhandene protestantische Kernmilieu, also der traditionellere Teil der Großelterngeneration der Digital Natives, soziale Medien kennt: Vom Hörensagen. 

Ganz anders Margot Käßmann: In einer jüngst erschienenen Zeitzeichen-Kolumne, in der es eigentlich um anderes geht, rantet sie in ihrer üblichen und eigentlich gar nicht so unsympathischen Manier los: "Heute erzählen Menschen alles über sich. Bei Facebook posten sie unablässig, wo sie sind, wen sie treffen, was sie denken, was sie essen." Abgesehen davon, dass unbedachte Pauschalisierungen ("heute" im Gegensatz zu einem glorifizierten "Früher", "Menschen", "alles", "unablässig") mit Vorsicht zu genießen sind, irritiert ihr Bekenntnis, woher sie dieses Wissen hat. In einem Artikel, in dem es um "geschützte Räume", Beichte und Seelsorge geht, gesteht sie freimütig: "Ganz zu Beginn habe ich unter falschem Namen einen Facebook-Account eröffnet". In einem Text, der sonst vor Vertrauens- und Aufrichtigkeitspathos nur so strotzt, befremdet ein derart problemunbewusstes Bekenntnis zur Lüge ungemein. Es wundert nicht, dass auf solchem Unterfangen, an dessen Anfang alternative Fakten geschaffen wurden, kein Segen liegen konnte: "Obwohl ich selbst nichts aktiv gepostet habe, erhielt ich alle möglichen 'Messages' und dazu ständig Freundschaftsangebote." 

"Ich habe diesen Spuk jetzt ganz und gar beendet", versichert sie. Es fällt nicht schwer, sich eine Predigt vorzustellen, in der sie abschließend deklamiert: "Nichts ist gut bei diesem Facebook", oder eine sozialmedial averse Zeitzeichen-Leserin, die bei der Lektüre erleichtert aufatmet, mit der flachen Hand auf den Wohnzimmertisch schlägt und verkündet: "Endlich! Die Margot Käßmann hat das Internet ausgemacht!" Ich habe gerade nachgeguckt, sie hat es nicht getan, sondern anscheinend nur ihr Fake-Profil gelöscht - richtig so, "die Wahrheit wird euch freimachen", hat Martin Luther schon gesagt. Oder sonstwer. "Inmitten des enormen Mitteilungsbedürfnisses ist für Vertraulichkeit offenbar kein Platz mehr", so lautet ihre abschließende Einschätzung. 

"Offenbar" ist das Stichwort. Als Adverb gebraucht, bedeutet es laut Duden"dem Anschein nach" - es bleibt also, allem investigativen Wallraffen zum Trotz, bloße Unterstellung. Und "offenbar" ist mit "Vertraulichkeit" (die, wieder laut Duden, ja auch ein "aufdringliches, nicht genügend distanziertes Verhalten" meinen kann) ohnehin nicht ganz ohne Probleme zu vereinbaren. Natürlich gibt es Vertraulichkeit auch bei Facebook, sogar, seit dringend notwendige und überfällige Verschlüsselungstechniken implementiert wurden, in einem einigermaßen geschützten Raum. Nur eröffnen sich eben solche Räume im Messenger, sie "offenbaren" sich nicht auf der Timeline - dort gehören sie in der Tat nicht hin. Von professionellen Seelsorger_innen kann man erwarten, dass sie hier vorbildlich posten und etwa auf solche ungewollten Durchbrüche des Privaten ins Öffentliche hinweisen. 

Ein Artikel, in dem es um Seelsorge geht und damit, nach einem pastoraltheologischen Lehrbuch von 1850, um das "mühsamste, aber auch das edelste und wichtigste", das Pfarrer_innen aufgetragen ist, hat solche wohlfeile und selbstgerechte Polemik nicht nötig. Das Gute, das auch in dieser Kolumne steht, geht unter im reaktionären Geraune über das böse Internet und die wilden, kulturlosen Eingeborenen, die dieses unheimliche Neuland bevölkern. Schade.

Wir waren jung und brauchten kein Geld

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Kleiner Text, der auf einem Schreibwochenende in Hanau im Arm der Gastfreundschaft der Fachtstelle Zweite Lebenshälfte entstanden ist. Mit kleinen Anleihen an K.I.Z., Alligatoah und Barbara Brown-Taylor.



Wir waren jung und brauchten kein Geld
Wir waren alt und träumten von der Zukunft
Wir waren lahm und tanzten vorneweg
Wir waren blind und trauten unseren Augen
Und der Himmel stand offen
und Fesseln lösten sich
und Steine fielen von Herzen
und wir weinten und er lief umher
mit einem Krug
und Wasser wurde Wein
und aus Mehl wurde Brot wurde Leben
und aus der Welt eine Spielwiese.
Und wir sangen: Fuchs du hast die Gans gestreichelt,
Und wir machten Pflugscharen aus Schwertern
und kochten Süßkartoffelmöhrensuppe in Soldatenhelmen
und nähten Topflappen und Küchenschürzen
und Kirschkernkissen aus Heeresbannern und Kriegsflaggen
und wir waren eine Bewegung
waren Bewegung.
Und wir kauten die Worte wie hartes Brot
das mit dem Kauen immer süßer wird.
Lasen die alten Schriften als Landkarten
durch unwegsames Gelände und als Anleitung
zum Überleben in der Wildnis,
und wenn unsere Fußspuren die ersten im Sand waren
und wir Gegenden durchzogen, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat,
dann schrieben wir unsere eigenen Geschichten
fanden eigene Worte, um andere durch die Untiefen zu lotsen
und waren doch nie so vermessen zu glauben
wir hätten die Welt im Ganzen durchmessen
und der Himmel stand offen
und Er holte die Leute vom Baum
und verscheuchte die Geister
und siehe, wir gingen hin und taten desgleichen
und wir waren in Bewegung, waren Bewegung
und der Himmel stand offen...


Und irgendwann legten wir ordentliches Pflastersteine
über den Sandstrand
und zogen Jägerzäune um die Spielwiese
und die Mütter holten die Kinder von den Löchern der Ottern weg
und sagten: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern!
und wir stellten das Campinggeschirr in eine Vitrine
und holten für Sonntag das gute Service hervor
und schickten die farblich gar nicht passenden Topflappen und Küchenschürzen und Kirschkernkissen nach Afrika,
weil die es ja lieber bunt haben als wir,
und wir nahmen die Landkarten und hängten sie hinter Glas
in Büros und Museumssäle.
Und da hängen sie noch heute,
und wir bezahlen in sich gekehrte Gelehrte,
die mit staubiger Stimme erklären,
dass unsere Welt so aussieht wie auf den alten Karten
und dass bitte niemand mit den Fingern auf das Glas...
und Vorsicht an der Vitrine...
und Händewaschen, bevor du nach den Sternen greifst
und das gute Porzellan gibt’s nur für die,
die ordentlich essen können.
Wir sind alt und brauchen das Geld.
Wir sind jung und sehen keine Zukunft.
Aber der Himmel steht offen
und die Welt ist voller Spielwiesen
und Wunder, die gemacht,
und Tränen, die gesammelt
und Wunden, die verbunden,
und Geister die vertrieben werden wollen.
Und manchmal träumen wir,
wir klauen den Schlüssel zur Vitrine
und holen das Campinggeschirr raus
und nehmen die Landkarten aus dem Bilderrahmen
und packen Stifte und Papier ein
für die unbekannten Länder
und klettern aus dem Fenster nach draußen
und rutschen ab und fallen hin
und strahlen,
weil Hoffnung die Farbe von Grasflecken an den Knien hat
und Wunder mit dreckigen Händen am besten funktionieren
und der Himmel steht offen
immer.



Ein kleines Feature zum Preacher Slam in Hagen gibt es hier.

Die Stunde der mutigen Frauen | Palmsonntag | Mk 14,3-9

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Predigttext steht hier.

In Jerusalem verdichtet sich die Handlung, laufen die Fäden zusammen. In Jerusalem, am Tiefpunkt der Passionszeit, schlägt die Stunde der mutigen Frauen. Die dorthin gehen, wo keiner sonst hingehen will, die das tun, was dran ist, egal, was andere denken. So wie heute. Eine Frau, deren Namen die Geschichte vergessen hat, aber nicht ihren Mut, ihre verschwenderische Liebe. 

Sie muss mutig gewesen sein, als sie auf den Marktplatz in Jerusalem geht. Vorbei an Gemüseständen und Hühnerställen, vorbei an den Teppichhändlern und Töpfern, immer geradeaus zu dem großen, luxuriös ausgestatteten Zelt eines Gewürzhändlers, der keine großen Stände, keine einladende Auslagen hat, sondern nur kleine Mengen vom Teuersten, das es gibt. Es braucht Mut, in die aromaschwere Luft des Zeltes einzutreten, an den Wächtern vorbei, alles Ersparte und noch einiges mehr auf die Theke zu legen für eine kleine Flasche mit dickflüssigem Nardenöl. Ein Parfüm, ein Beruhigungsmittel, das sich eigentlich nur die Reichsten leisten können. Indische Narde wächst, in der Antike wie heute, nur auf dem Himalaya. 300 Dinar, zwanzigtausend Euro wären das heute. Es braucht Mut, mit einer so teuren Substanz in einem so zerbrechlichen Gefäß durch die Straßen der Stadt zu gehen. 

Sie muss mutig sein, um dieses eine Haus am Rand der Stadt zu betreten. Das Haus eines Aussätzigen, eines Menschen, der durch seine chronische Hautkrankheit, gezeichnet ist, der sich damit nicht verstecken kann und für den die Gesellschaft nur einen Platz am äußersten Rand übrig hat. Wer in dieses Haus einkehrt, stellt sich mit an den Rand, gesellt sich mitten unter die Ausgestoßenen und Heimatlosen. Es braucht Mut, Jesus dort zu suchen. Aber da ist er. Da, wo keiner freiwillig hingeht. 



Sie muss mutig sein, um einfach so in die Männerrunde einzubrechen, in den engsten Kreis der Tafelrunde einzutreten, wo noch alle Plätze besetzt sind. Die Blicke auszuhalten, das leise Flüstern. Um den Tisch herum zu gehen, hin zu dem, dem kurz zuvor noch die ganze Stadt zugejubelt hat. Ihm so ganz nahe zu kommen, seinen Kopf zu berühren, in einer Geste, die so intim ist, so unerhört, die so sehr an das erinnert, was er sonst macht: Die Hände auflegen und segnen. Aber das ist das, was Menschen in der Bibel tun: Sie segnen Gott. Für Luther war das unverständlich, bis heute steht bei uns in den Übersetzungen „Gott loben“ statt „Gott segnen“, im Judentum ist es seit jeher Gang und Gäbe. Menschen segnen Gott über dem, was sie empfangen, ob es das Essen auf dem Tisch oder das Geschenk des nackten Lebens ist. Gott segnen heißt, sich tastend an seine Nähe zu wagen, Gemeinschaft zu suchen, den Segen, den er austeilt, zu ihm zurückfließen zu lassen. 

Jesus sagt und tut nichts. Auch das braucht Mut – eine Berührung zu wagen, ohne zu wissen, ob das gewollt oder okay ist. Die Hand für einen Wimpernschlag länger zu halten als nötig. Einen Menschen in den Arm zu nehmen, bei dem man das sonst nicht tut, bei dem man aber ahnt, dass er es gerade gebrauchen kann. Jesus sagt und tut erstmal nichts. 



Umso mehr die anderen am Tisch, aus den anderen Schilderungen dieser Geschichte ist anzunehmen, dass es die Jünger sind. Die, die meinen, dass sie so gut Bescheid wissen, über das, was Jesus umtreibt. Sie ärgern sich. So eine Verschwendung! Was hätte man nicht alles mit diesem Geld anfangen können. Was hätte man nicht alles Gutes für die Armen tun können. Hätte, hätte… sagen die, die gerade am gedeckten Tisch sitzen. Es braucht Mut, das zu tun, was gerade dran ist, auch wenn alles dagegen spricht, auch, wenn die Vernunft anderes sagt, auch wenn es tausend andere Dinge gäbe. Es braucht Mut, geschäftliche Termine abzusagen, um zum Fußballspiel der Tochter oder zum Cellovorspiel des Sohnes zu gehen. Es braucht Mut, Liebe zu geben, verschwenderisch mit sich selbst umzugehen, wenn alles dagegen spricht, wenn bedeutende Stimmen wichtige Argumente vorbringen. So wie die Jünger. 

Aber als sie anfangen zu lamentieren, spricht Jesus zum ersten Mal in dieser Geschichte. „Lasst sie.“ Denn sie hat es begriffen. Sie tut das, was Jesus in seinem ganzen kurzen Leben und in seinem kurz bevorstehenden Sterben getan hat: Geben, ohne etwas zurückzuhalten. Lieben, ohne eine Hintertür offen zu lassen. Nähe wagen, ohne sprungbereit zu bleiben. „Sie hat getan, was sie konnte“ – mehr braucht es dabei nicht, von niemandem von uns. 
Und noch etwas hat sie getan: „Sie hat meinen Leib im Voraus für mein Begräbnis gesalbt.“ Da ist es wieder, das Thema, von dem Jesus die ganze Zeit spricht, dem auch wir uns in der Passionszeit und in der Karwoche besonders zuwenden, auch, wenn es weh tut: Es geht um Tod und Sterben, um das Ende, um Verlust, um Schmerz und Trauer. Es braucht Mut, das auszuhalten. Mut, die in der Leidensgeschichte Jesu vor allem die Frauen aufbringen, deren Stunde in Jerusalem schlägt, wenn die Fäden zusammenlaufen und der Himmel sich verdunkelt: Sie bleiben am Kreuz stehen, wenn alle anderen fliehen. Sie werden am Ostermorgen als erste zum Grab gehen, um seinen Leichnam zu salben, zu berühren, zu begreifen, was kaum zu verstehen ist. Wo das Evangelium gepredigt wird in der ganzen Welt, da wird man auch das sagen zu ihrem Gedächtnis, was sie getan hat. Und Jesus hat recht behalten. 

Den Namen der Frau hat die Geschichte vergessen. Vielleicht ist das nichts Ungewöhnliches bei einer Geschichte, die von Männern aufgeschrieben wurde. Vielleicht ist das aber auch genauso gewollt: Wir wissen nichts über ihre Vorgeschichte. Nirgendwo vorher taucht sie auf und tut oder erlebt irgendwas, das uns sagen lässt: Gut, verständlich, dass sie das jetzt macht. Und vielleicht bedeutet das, dass man niemand Besonderes sein muss, um das zu tun, was gerade dran ist. 
Dahin gehen, wo sonst keiner hingeht – und dort Jesus finden. 
Gott segnen. 
Eine Berührung wagen. 
Einem Sterbenden nahe sein. 
Das, was man hat, in einem zerbrechlichen Gefäß durch die ganze Stadt tragen. 
Unfreundliche Blicke und abschätzende Kommentare ertragen 
und nicht so wichtig nehmen. 
Verschwenderisch sein, nicht immer und überall, 
aber da, wo Rechnen nicht angebracht ist. 
Und ihn hören: 
Du hast ein gutes Werk an mir getan. 
Danke dafür. 
Amen.

Triduum Sacrum | Drei Tage mit alles.

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jetzt ist sie da. die intensivste zeit des jahres. zerbrechliche gemeinschaft. abschied, tränen, tod. und neues leben. sich verlieren. gehalten werden. für alle, die sowieso dabei sind. und für die, die sich noch fragen: soll ich..? ja.


Das Bibelregal

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Vorbemerkung: Wie immer, so ist auch dieser Konfisamstag (10-15 Uhr inklusive Mittagspause) die reinste Materialschlacht (Kosten ca. 100 EUR, Bücher nicht mitgerechnet) und wahrscheinlich in 1-2 Stunden unter der Woche nicht zu bewerkstelligen. Vor allem braucht es Teamer_innen, die Verantwortung für die Vorbereitung übernehmen und mit einigem Bastelaufwand eine Bibel präparieren. Was genau zu tun ist, wird gleich erklärt.

DIE BIBEL - BUCH VOLLER BÜCHER

Quelle: Württembergische Bibelanstalt via rpi-virtuell.de


Aus Religions- und Konfirmandenunterricht bekannt ist das Arbeitsblatt, bei dem die Bibel als Bücherregal gezeichnet wird, manchmal mit Lücken, in die die Konfis die fehlenden Titel einsetzen können. Das Bild finden wir genial, aber nur auf Papier zu schwach. Also bestücken wir in der Einheit ein Bücherregal mit Büchern und arbeiten damit. Das Ergebnis ist und bleibt work in progress, weil nur exemplarisch einzelne Bücher bearbeitet werden, sodass noch genug Arbeit für spätere Konfi- oder sonstige Gemeindegruppen übrig bleibt. 

Zu den Zielen der Einheit gehören die Reaktivierung von bereits vorhandenem Wissen, Grundkenntnisse über den Aufbau der Bibel und die kreative Auseinandersetzung mit einem konkreten Text aus einem konkreten biblischen Buch. Es geht nicht darum, den Aufbau der Bibel auswändig zu lernen - wofür sollte das gut sein, falls nicht einzelne Konfis später Theologie studieren und dann weniger für die Bibelkundeprüfung lernen müssen?

DIE VORBEREITUNG



Man braucht ein Bücherregal. Wir haben ein halbhohes BILLY-Regal (80 cm Breite) genommen. Dann braucht man Bücher. Wir hatten einen ziemlich großen Vorrat an alten Bibeln (Spenden von Schulen und dergleichen), die z. T. kaputt und gammelig waren und deswegen nicht mehr gelesen und auch von keiner Büchersammelstelle mehr angenommen werden, außerdem ein paar alte Gesangbücher. Als die ausgingen, behalfen wir uns mit Ladenhütern aus dem Büchertauschregal im Gemeindehaus. Die Bücher werden in verschiedenen Farben mit dcfix-Folie beklebt und beschriftet (um Platz und Material zu sparen, haben wir einige zusammengefasst, z. B. 1./2. Samuel, Dodekapropheton usw.). Im Team haben wir zu den einzelnen Büchern zentrale oder besonders ansprechende Texte gesammelt, für die jeweils zwei Teamer_innen die Verantwortung übernommen haben: Die Konfis sollen das entsprechende Buch gestalten, sei es als Buchtresor, sei es als Pop-Up-Buch (Anleitungen gibt es im Internet). Gerade das Herstellen von Buchtresoren, bei denen große Teile aus der Mitte herausgeschnitten werden, ist zeitaufwändig und muss vorher passieren. Außerdem machten sich die Teamer_innen ein paar Gedanken um die kreative Gestaltung - manche wollten etwas zum Mitnehmen in die Bücher legen, andere schöne Szenen entstehen lassen. Auf jeden Fall hilft es, wenn man mit den Konfis nicht bei Null anfängt. Material wurde auf Wunsch angeschafft. Das Bücherregal wollte eigentlich ein Teamer während der ersten einführenden Spieleinheiten aufbauen, dann aber spielte es eine Rolle bei der Konfliktbearbeitung zweier Konfis - nach gemeinsamem Möbelaufbau lässt sich bei einer fairtrade-Limo gut über Probleme reden. 

ZUM EINSTIEG: SPIELE


Wir starten mit dem allseits (allerdings eher als Kennenlernspiel) beliebten Klopapierspiel: Eine Rolle Klopapier wird rumgegeben, die Konfis dürfen sich so viele Blätter abreißen, wie sie wollen/brauchen. In der Originalversion des Spiels geht es dann darum, pro Blatt eine persönliche Sache von sich zu erzählen, wir variieren hier: Pro Blatt sollen die Konfis eine biblische Figur oder eine Geschichte, vielleicht sogar einen Vers nennen - die anderen dürfen dabei helfen, damit möglichst viele Geschichten zusammenkommen und nicht gleich am Anfang der Einheit stockende Langeweile aufkommt. So füllt sich der Raum mit bereits vorhandenem Bibelwissen, über dessen schiere Größe die Gruppe staunen kann. 

Dann spielen wir eine Runde Bibelfußball: Die Konfis benutzen ihre eigenen Bibeln, um Fragen zu beantworten - solche Fragenkataloge gibt es dankenswerter Weise schon im Internet, etwa hier. Weil wir gern groß denken, verteilen wir die Konfis tatsächlich im Raum und lassen sie einen Ball nach vorn bewegen. So prägen sich einzelne Bücher ein, und die Konfis kommen ins Blättern. Das kennen sie bei uns bereits, weil wir biblische Texte konsequent aus der Bibel lesen und nicht auf Arbeitsblätter drucken.


DAS REGAL UND DIE BÜCHER


Nach der Spieleeinheit zeigen wir den Konfis das Bücherregal. Einige kennen das Konzept bereits aus der Grundschule, zeigen sich aber sehr interessiert an der dreidimensionalen Umsetzung - unsere Erfahrung ist, dass Konfis es durchaus wertschätzen können, wenn Arbeitsmaterial sorgfältig vorbereitet wird. 


Die ehrenamtlichen Teamer_innen hatten im Vorfeld die Verantwortung für ein biblisches Buch übernommen, hatten die ihnen zur Verfügung stehende Bibel entsprechend vorbereitet und sich einen kleinen Werbeslogan zurechtgelegt, anhand dessen sich jeweils zwei bis drei Konfis für eine Kleingruppe entscheiden konnten. In diesem Erstversuch hatten wir im Team folgende Schwerpunkte ausgewählt: Deuteronomium (10 Gebote, konkret Sabbatsheiligung), Jesaja (Tierfrieden aus Jes 11), Psalter (Ps 23), Apostelgeschichte (Apg 2 - Pfingstwunder) und 1. Korinther (Abendmahl). Den Teamer_innen stand zudem Zusatzmaterial mit Einleitungswissen über Entstehungskontext und Inhalt der biblischen Bücher zur Verfügung, das sie, je nach Bedarf, einfließen lassen konnten. 


Unschwer zu erkennen: Psalm 23

BASTELN UND GESTALTEN


In den Kleingruppen lasen die Konfis zunächst den betreffenden Text, dann ging es an die kreative Umsetzung. Die Erfahrung zeigt, dass es hilfreich ist, wenn die Teamer_innen schon ein paar mehr oder weniger lose Vorstellungen haben, was möglich wäre - so fängt man nicht ganz bei Null an, sollte aber flexibel bleiben für die Ideen der Konfis. Für die Vorbereitung haben sich die Fragen aus der Werkwinkel-Arbeit als zielführend erwiesen, die ohnehin für das Ganze hier Pate steht, nur halt in ganz klein. Den Arbeitsschritt hatten wir mit einer Stunde veranschlagt, es hat sich aber gezeigt, dass die allermeisten Gruppen auch noch mehr Zeit hätten gebrauchen können, weil die Bastelfreude relativ groß war. Zum Arbeitsauftrag gehörte außerdem die Vorbereitung einer Mini-Mini-Präsentation mit 1-2 Einleitungssachen zum bearbeiteten Buch und das Beschriften einer Leseempfehlung ("Warum sollte man dieses Buch lesen, wem würdet Ihr es zum Lesen geben?"), die von den Konfis unterschrieben und vorne auf die Bibel geklebt wird - wie diese Empfehlungen der Belegschaft, die es in manchen Buchhandlungen gibt. Das diente einerseits der Bündelung, andererseits dem Einstieg in das Gespräch über die Bibel über die Konfigruppe hinaus (dazu später mehr).




Dann war erstmal eine längere Pause überfällig. 


Der sog. Tierfrieden (Jesaja 11)


WIE ES WEITERGEHEN KANN


Das Bücherregal steht an prominenter Stelle bei uns im Gemeindezentrum, vor dem Eingang zum Kirchraum. Geplant ist, die gesamte Ecke noch ein wenig einladender zu gestalten, mit Lesesessel und ein paar Bildern zur Bibel und einem Karton mit Bibeln zum Mitnehmen. Ein Punkt auf dem Buchrücken verrät der Gemeinde, welche Bücher schon bearbeitet sind. Mit den nächsten Konfijahrgängen werden wir weiter daran arbeiten, der Impuls soll aber auch in andere Gemeindegruppen gegeben werden. Als wir die Aktion im Gottesdienst tags darauf kurz vorstellten, war die Resonanz jedenfalls sehr positiv, von einigen Eltern kam die Rückmeldung, dass das jeweilige Buch und die Bibel allgemein noch beim Abendessen Thema war. Wir freuen uns, dass das Bücherregal weiter mit Leben gefüllt wird und würden das Ganze auf jeden Fall wieder machen. Sind aber auch froh, dass nicht mehr 40+ Bücher mit dcfix beklebt werden müssen - und losen jetzt schon aus, wer die nächsten Büchertresore vorbereiten muss. Hand aufs Herz, die Aktion war bislang die arbeitsreichste und hat uns in der Woche davor ein bisschen Nerven gekostet. Wir fanden, dass es sich gelohnt hat, aber man braucht wirklich die Ressourcen dafür.


Die Interpretation einer Jungsgruppe zum 3. Gebot: "Du sollst den Sabbat heiligen" (Dtn). Nicht im Bild sind die letzten Änderungen: Ein QR-Code mit Chill-Out-Musik und ein Schild mit dem Gebot. Auf die Zettel haben die Konfis kleine Entspannungs- und Achtsamkeitsübungen notiert.



Was vom Tage übrig bleibt? #dekt17

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Hui. Knappe zehn Stunden für eine Fahrt von Berlin nach Wuppertal, Kirchentagsende, Himmelfahrtswochenende und BVB-Endspiel sei Dank, und ich bin trotzdem blendender Laune. Für mich spricht das mehr als alles andere für den soeben zu Ende gegangenen Kirchentag - das Gefühl dauert an, begleitet in den Westen. Eigentlich zu früh danach und zu spät am Tag, um da noch groß herumzureflektieren, aber what the heck. 

ALLES LEBEN IST BEGEGNUNG


Am Abend der Begegnung merke ich, dass ich älter geworden bin. Nicht unbedingt, weil das Laufen schwer fiele, sondern weil ich den Unterschied zu den Jahren davor merke. 2007 (Köln) war erst mein zweiter Kirchentag, an besagtem ersten Abend bin ich u. a. mit älteren Kollegen unterwegs gewesen und war fasziniert bis befremdet von der Grußfrequenz - wir mussten gefühlt alle drei Meter stehen bleiben, weil irgendjemand Bekanntes unseren Weg kreuzte. Jetzt, zehn Jahre später, ging es mir so. Gefühlt alle drei Meter: Ehemalige Komiliton_innen, Kolleg_innen, Studierende, Konfis, Profs, Gemeindeglieder... Toll war das. Und schade, weil natürlich keine Zeit ist für längere Gespräche. Und entlarvend ist es auch: Wer beim Kirchentag in lauter Bekannte rennt / gehört schon zum Establishment. 

Insbesondere am Tag darauf verstärkte sich das auf eine schöne Weise: Dankenswerterweise wurde eine Podiumsdiskussion zu #smartchurch per Livestream übertragen - eine Diskutantin stellte beim Blick ins Publikum fest: "Meine Timeline materialisiert sich gerade!"Ähnlich ging es mir beim Preacher Slam am Abend.

KLASSENTREFFEN, KLASSE KAMPF

 


Donnerstagabend war der erste Aktionspunkt für mich: Preacher Slam in einer bis auf den letzten Platz besetzten (und leider etwas schwer zu beschallenden) Gethsemanekirche. Ich durfte als Opferlamm den Publikumsanheizer für ein erlesenes Line-Up mit grandiosen und sehr unterschiedlichen Texten spielen (nachzulesen zum Beispiel hier und hier und hier) und endlich auch einfach nur mal Zuschauer sein. Gewonnen hat der Beitrag, der am deutlichsten auf Pointe geschrieben war und der deswegen aus homiletischer Sicht besonders interessant ist - und weil sich hier eine (auch nur so halb wahre) Tendenz aus dem "richtigen" Poetry Slam abzuzeichnen scheint: "Es gewinnen ja eh die lustigen Texte." Musik gab es von der grandiosen Miriam Buthmann, die jede_r kennen sollte! 
Der Abend war dann auch so eine Gelegenheit, viele neue Lieblingsmenschen aus den sozialen Medien kohlenstofflich kennen zu lernen, zum Teil erstmalig dreidimensional zu erleben - ich freu mich sehr aufs nächste Timeline-Klassentreffen! 


FREITAG - FEIERTAG - STATT - FREIER TAG



Ungleich voller war mein Terminplan am Freitag. Zuerst zwei kurze Auftritte in der liebevoll und regionenspezifisch aufgebauten Westfalenhalle, in der zwischen Buden und Süßigkeitenregalen ein Hauch von Ruhrgebiet mitten durch Berlin zog - und in der die Bühne leider ein bisschen publikums- und auftretendenunfreundlich am Rand platziert war. Sowieso war die Messe, wie der gesamte Kirchentag, sehr weitläufig - manche Abstecher blieben dann doch nur Theorie.



Der Abend bot den Programmpunkt, auf den ich selbst am gespanntesten war: Die Vorführung des bombastischen Stummfilms "Berlin - Symphonie der Großstadt" von 1927 mit Livemusik und kurzen eingeschobenen Zwischentexten. Schon die Location, die Parochialkirche in Mitte, hätte ich am liebsten mitgenommen...





Die Parochialkirche war Schauplatz des Liturgischen Tages Großstadt, für den unter anderem das Theologische Labor Berlin und einige Protagonist_innen der deutschsprachigen fresh-x-Bewegung verantwortlich zeichneten. Auch diese Kirche war mit einem überaus wachen und begeisterten Publikum fast voll besetzt, Film, Musik und Texte passten überraschend gut zusammen - und am Ende des Tages ist mir bewusst, dass ich das Thema "Urbane Theologie" gern weiterdenken möchte.

SKANDAAAAAL!

Nicht weniger spannend ging der Kirchentag zu Ende, weil auf dem Programm noch eine Podiumsdiskussion zum Thema "Gottesdienst als Skandal" stand. Ich durfte vorne sitzen neben lauter Menschen, die ich bewundere und mag - mein alter Lehrer Peter Bukowski, Birgit Mattausch und Christina Brudereck, fach- und sachkundig moderiert von Johannes Michael Modeß. Alles Leute, mit denen ich gern über Gottesdienst nachdenke und mit denen ich noch lieber zusammen feiere - auch das stand auf dem Programm. Skandalöser wäre das Ganze sicherlich gewesen, wenn wir als Panel uns nicht in eigentlich allem so rührig einig gewesen wären... Evangelisch.de hat dem Ganzen einen sehr ausführlichen Bericht gewidmet, und auch an diesem Abend war die Gethsemanekirche fast bis auf den letzten Platz gefüllt. Fast schon überraschend angesichts des Veranstaltungsformats, aber auf jeden Fall sehr fein!


DER LANGE WEG NACH HAUSE


Nach diesem Nachmittag war der Kirchentag für mich zumindest offiziell beendet, auch wenn der Abend mit weiteren kohlenstofflichen Begegnungen noch lang wurde. Zum Abschlussgottesdienst nach Wittenberg haben weder Benzin noch Lust gereicht, aber ein Stau kurz vor Magdeburg (der sich wundersamer Weise auflöste, als der Ratsvorsitzende die Einsetzungsworte sprach...) machte es möglich, das Ganze live im Radio zu verfolgen und irgendwie doch auch das offizielle Ende noch mitzunehmen.


Die Fahrt war noch deutlich länger, Zeit genug, um beim nächsten längeren Totalstau den ernüchterten Rückblick von Sebastian Baer-Henney zu lesen und zu fragen: Was ist eigentlich mein Fazit, was nehme ich mit?


WAS VON DEN TAGEN ÜBRIG BLEIBT


KIRCHENTAG VON INNEN IST NICHT KIRCHENTAG VON AUSSEN


Bei der Berichterstattung über den Kirchentag dominieren in aller Regel die gesellschaftspolitischen Themen. So auch in diesem Jahr: Spaltenmeter um Spaltenmeter über Obama, von der Leyen und alle anderen wahljahresaktiven Politiker_innen, Käßmanns verkürzt wiedergegebene AfD-Kritik, AfD sowieso und so weiter. Das ist nicht unproblematisch, weil sich so in der Öffentlichkeit der Eindruck festigt, die evangelische Kirche sei vor allem eine Gesinnungsanstalt. Das entspricht nicht der unglaublichen Breite an Angeboten, die tatsächlich so ziemlich jede Facette evangelischen Lebens abzubilden vermag. Es lässt sich kaum vermeiden, weil eben mit berühmten Gesichtern bessere Schlagzeilen zu machen sind. Es ist aber trotzdem schade, wenn der aufwändig gestaltete Abschlussgottesdienst diesen Eindruck verstärkt. Bei aller Vorsicht angesichts des nicht-vor-Ort-gewesen-Seins: Die Predigt des südafrikanischen Bischofs Thabo Makgoba war aus homiletischer Sicht streckenweise eine Enttäuschung. So gut die Idee, jemanden aus der weltweiten lutherischen Ökumene einzuladen, so spannend die afrikanische Perspektive auf die Geschichte von Hagar, so faszinierend die Performance - am Ende bleiben Appelle hängen, die zwar engagiert vorgetragen wurden, deren Nachhaltigkeit aber noch zu beweisen ist.

Aber, wie gesagt: Kirchentag von innen ist nicht Kirchentag von außen. Das macht mich vorsichtig beim Urteilen über Programmpunkte, die ich gar nicht oder nur durch externe Berichterstattung vermittelt erlebt habe. Und mir bleiben neben den vielen Begegnungen auch die gottesdienstlichen Momente im Gedächtnis, die Abendsegen nach den Veranstaltungen: Ich wurde gesegnet und durfte segnen, mit Lieblingsmenschen im Arm und Tränen in den Augen Der Mond ist aufgegangen und Der Lärm verebbt singen, mit vielen anderen zusammen beten und Gottesdienst feiern in Formen und zu Tageszeiten, die mir näher liegen als mancher Sonntagsgottesdienst. 


PERSONENKULT


Im Vorfeld wurde mehrfach und zu Recht eine einseitige Reduzierung des Reformationsjubiläums auf die Person Martin Luthers kritisiert. Auf dem Kirchentag habe ich das sehr anders wahrgenommen, in Berlin waren wenige bis gar keine Luthersocken, -enten und andere Devotionalien zu sehen. Trotzdem bleibt (oder entsteht) nach vielen Gesprächen, Artikel- und Tweetslesen der Eindruck, dass wir nicht ohne Held_innen können. Für die Einen ist es Obama, für die Anderen Fulbert Steffensky. In meiner Filterbubble vor allen anderen Nadia Bolz-Weber. Was das für die Kirche der Reformation, für unser Gedenken und Handeln bedeutet, müsste noch mal diskutiert werden. 


DIE DA DRAUSSEN...


"Was ich in den vergangenen Tagen erlebt habe, war Binnenkirche. Es waren viele Menschen unterwegs, die sich flotte Ideen für ihre Kirche angesehen haben – dabei aber in ihrer Welt dermaßen gefangen sind, dass sie nicht wahrnehmen, dass die Menschen von außen das Allermeiste davon nicht interessiert. [...]
Diese Art von Kirche nimmt so viel Raum ein. Hunderttausend Menschen zelebrieren sie und sehen dabei gar nicht, wie viele andere sie damit ausschließen. Es ist ein Missverhältnis, dass diese Binnenkirchlichkeit uns so unverhältnismäßig viel beschäftigt. Unsere theologisch korrekten Antworten, unsere politisch korrekten Aussagen – all das ist richtig. Aber all das erstickt uns. Betäubt von dem Glauben, dass die, die nicht kommen, ein Problem haben, dass doch alles so gut und makellos ist, was wir machen, fehlt uns der Zugang zu denen da draußen. Wir rudern und rudern, wollen uns nicht angreifbar machen, gelähmt von der Angst, politisch inkorrekt oder oberflächlich zu werden. Und ertrinken in einem Strom binnenkirchlicher Leitkultur."
So fasst Sebastian Baer-Henney im oben erwähnten Blogpost seine Kirchentagserfahrung zusammen. Ich bin geneigt, ihm zuzustimmen, auch, wenn mir weniger zum Heulen ist, weil ich in meinem Gemeindealltag sehr binnenkirchlich unterwegs bin und glaube (oder glauben möchte), dass diejenigen, die gestärkt vom Kirchentag zurückkehren, in ihren Kontexten vor Ort mit neuer Energie wirken können. Trotzdem bleibt ein schales Gefühl, weil so viele Programmpunkte auf dem Kirchentag geschlossene Veranstaltungen sind - und zwar nicht nur milieumäßig: Zutritt zu den Veranstaltungsräumen haben nur diejenigen, die eine Eintrittskarte besitzen. Das war für einige Freunde von mir ärgerlich, weil sie vorbeikommen wollten, das aber nicht konnten. Mir ist vollkommen klar, dass der Kirchentag irgendwie finanziert werden muss. Mir ist auch klar, dass es Abendkarten gibt - die sind aber sehr schwer zu bekommen: Wer sich nicht vorher mit einem recht aufwändigen Prozedere anmeldet, hatte in Berlin nur an ausgewählten Vorverkaufsstellen die Chance, eine Abendkarte zu erwerben. Mit Abendkassen wäre das Problem zu lösen - und, ja, mir ist auch klar, was das an organisatorischem Mehraufwand bedeuten würde. Aber es ist doch schade, wenn die gastgebende Stadt weitestgehend bloße Kulisse bleibt und die Menschen dort den Eindruck haben, dass, wer mit Gott unterwegs sein will, einen orangefarbenen Schal braucht. 
Ich wünsche mir, dass wir in Dortmund mehr wagen. Dass im Nachgang dieses Kirchentages Wege gefunden werden, das Engagement der vielen, vielen Leute zu würdigen und gleichzeitig offen zu fragen, ob die Idee eines "Kirchentages auf dem Weg" und eines Abschlussgottesdienstes in Wittenberg so gut war. Dass wenigstens ein Preacher Slam nicht in einer Kirche mit Pfadfindertürstehern, sondern irgendwo an einer öffentlich zugänglichen Speakers' Corner stattfindet, ohne Kulleraugen und sonstige Banner, ohne anstrengende Anmoderation. Dass wir uns der Stadt aussetzen, nicht die Stadt uns. Ich freu mich drauf! #dnkgtt

Berlin - Symphonie einer Großstadt: Autoerotik und Industrieporno

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Zu den spannendsten Projekten, bei denen ich am Kirchentag mitmachen konnte, gehörte die abendliche Performance Berlin - Die Sinfonie der Großstadt, mit der der Liturgische Tag: Großstadt in der Parochialkirche in Mitte endete. Im Zentrum stand der gleichnamige Stummfilm von Walther Ruttmann aus dem Jahr 1927, der auf einer Leinwand in dieser großartigen Kirche gezeigt wurde. Dazu gab es Livemusik am Klavier, die sich auf den Originalsoundtrack von Edmund Meisel bezog und das Geschehen auf der Leinwand kommentierte und voranbrachte. Da der Film in fünf Akte aufgeteilt ist, gab es sinnvolle dramaturgische Zäsuren, an denen ich mit mehr oder weniger poetischen Texten einhaken konnte. Der Arbeitsauftrag war, theologische Dimensionen freizulegen oder, zumindest habe ich es mir so zurechtgebogen, Gott da irgendwie inmitten der Bilder zu finden und/oder reinzumalen. 

Kleine Leseanweisung: Den Meisel-Score gibt es meines Wissens nicht einfach so in diesem Internet, von daher geht eine Dimension unweigerlich verloren. Man kann sich etwas Atonales, Bildreiches dazu denken. Und dann den Film bis zum Ende des I. Aktes (das Video sagt einem, wann es soweit ist) gucken und unten weiterlesen.




AUTO-EROTIK UND INDUSTRIEPORNO



Langsam und methodisch arbeitet er sich vor. 
Der Handschuh aus Lammfell gleitet über perfekte Rundungen, 
mit sanftem Druck in kreisenden Bewegungen 
massiert er jeden Quadratzentimeter 
pustet in den sich bildenden Schaum 
- schneeweiß, verspielt sich auftürmend - 
ahnt diesen ganz besonderen Duft 
mehr als er ihn riecht 
Lack und Leder und warmes Wachs 
massiert hier und dort noch ein bisschen extra 
nicht weil er müsste, 
sondern weil es sich so gut anfühlt 
nimmt einen Schwamm und taucht ihn in warmes Wasser 
lässt ihn sich vollsaugen und wringt ihn aus 
und sieht, wie Wassertropfen abperlen 
und langsam die perfekten Rundungen hinabgleiten 
und sich auf dem Boden sammeln. 

Und seine Frau hängt die Wäsche auf 
und beobachtet ihn und wünscht sich, 
er würde sie einmal so zärtlich berühren 
an allen möglichen und unmöglichen Stellen 
so liebevoll ansehen 
wie sein Auto bei der Wäsche. 

Und der Kameramann 
lässt sein Linsenauge durch die Maschinenhalle gleiten 
über blank poliertes Kupfer 
und glänzenden Stahl 
im Licht der Morgensonne 
fängt die gleichmäßige Stoßbewegungen ein 
perfekte Kurven und Wellen 
eisenharte Arme mit geölten Scharnieren 
kraftvoll zupackende Hände mit eisernen Greifern 
Zahnräder, deren Zacken sich vereinen und wieder trennen 
und laufen und laufen und laufen 
und es wird gehobelt und gestoßen 
und gehoben und geschoben 
unter hydraulischem Stöhnen und Pulsieren 
und ein Schwall weißer Milch ergießt sich 
in hochdruckgereinigte Flaschen aus Glas 
und füllt sie bis zum Rand 
und die Maschinen bewegen sich wie von Zauberhand 
Das Wesentliche ist für das Auge unsichtbar. 

Früher bauten die Menschen noch Türme 
deren Spitze bis in den Himmel reichen sollten 
um sich Denkmäler zu setzen und einen Namen zu machen 
doch der Herr fuhr hernieder und schuf das erste Weltwunder, 
babylonisches Sprachgewirr. 

Dann bauten die Menschen Kathedralen 
deren Spitzen bis in den Himmel reichen sollten 
um dem Ewigen näher zu kommen, 
doch der hatte schon längst den Abstieg gewählt 
und mischte sich unters Volk 
und verwirrte die Sprache 
und die Gebete klangen wie Hokuspokus 
und die Predigten wie tönendes Erz und klingende Schellen. 

Dann ließ man die Kirche im Dorf 
und baute in den Städten 
noch höher höher als alle Tumkreuze und Wetterhähne 
ragen die Fabrikschlote in den Himmel 
und wo sie die Wolken nicht berühren, 
spucken sie selber welche aus, 
wattigweiß wie die verlorene Unschuld. 
Die Fabrikglocke schrillt 
und ruft zum Schicht-, statt zum Gottesdienst. 
Non ora, sed labora 
der Vorbeter weicht dem Vorarbeiter, 
das Pfeifen und Dröhnen der Maschinen, 
das Brausen des Fließbands 
ist lauter als die größte Orgel der Welt 
ein geseufztes Kyrie eleison, 
ein unausgesprochenes Stoßgebet 
wenn der Rücken steif geworden ist 
wenn der Vorarbeiter seinen Zigarettenatem 
in den Nacken der Näherin bläst 
die Fürbitte ist was für die Mutigen, 
wenn der Chef wieder eine Predigt hält 
über Produktionssteigerung und Arbeitsmoral 
und den Lehrling am Ohr zieht. 

Nimm hin und iss 
statt Oblaten aus der silbernen Patene 
Kartoffelstampf aus einem abgestoßenen Henkelmann Butterbrot aus rostiger Büchse, 
ein Schluck gestreckter Kaffee aus der Thermoskanne 

Und am Ende des Tages: 
Ite, missa est, 
morgen geht es weiter von Ewigkeit zu Ewigkeit. 

Und der Herr fuhr hernieder zur Erde und 
verwirrte die Sprache der Menschen 
dass sie von Humankapital sprachen statt von Menschen 
und statt von Gottesurteilen von betriebsbedingten Kündigungen 
und statt von Ferien von vorlesungsfreier Zeit 

Die Menschen bauten weiter Bankenhäuser, 
die an den Wolken kratzen 
und den, der im Himmel wohnt, 
unter den Füßen kitzeln 
und der im Himmel wohnt, lacht ihrer 
zumindest am Anfang, 
und dann nervt es 
und er seufzt 
und fährt wieder hernieder 
und verwirrt ihre Sprache 
und die Menschen hören nicht auf einander nicht zu verstehen.
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